Ein Teelöffel Land und Meer
mit Zuckerguss. Sie bedecken hässliche Wahrheiten mit Joghurt.
Ich kann über solche Kleinigkeiten lachen
, sagt Saba sich.
Bei der Zeremonie fängt sie damit an und kichert mit Reza über den alten zoroastrischen Brauch, bei dem der Geistliche dem Paar das Versprechen abfordert, nicht »mit Narren zusammenzuwirken« oder »ihren Müttern Kummer zu bereiten«. Und über eine Tradition von weiter westlich, der zufolge eine weibliche Verwandte – Sabas Cousine aus Aserbaidschan – in der Ecke ein Tuch näht und laut sagt, damit alle es hören können: »Ich nähe den Mund der Schwiegermutter zu. Ich nähe den Mund der Schwägerin zu.«
Nur über eine alte persische Sitte setzt Saba sich hinweg. Wenn der Geistliche fragt, ob sie verheiratet werden möchte, soll sie beim ersten Mal schweigen. Die Frauen im Raum sagen dann so was in der Art wie: »Die Braut ist gerade Blumen pflücken.« Der Geistliche fragt erneut, und wieder muss die Braut stumm bleiben. Daraufhin beteuern die Gäste: »Die Braut ist zum Beten in der Moschee.« Beim dritten Mal schließlich muss die Braut so leise, so verschämt Ja sagen, dass es kaum vernehmbar ist. Dann schreien alle Gäste los, und jedermann behauptet, er hätte es zuerst gehört. Aber heute antwortet Saba laut und deutlich gleich beim ersten Mal, und als die Gäste schockiert tun und der Geistliche stirnrunzelnd aufblickt, reagiert sie mit einem freundlichen Achselzucken und sieht Reza an, und ihre Freunde pfeifen und johlen stattdessen.
Später, als die Gäste vom Essen und Wein und netten Geplauder eingelullt sind, kommt Sabas Vater und nimmt sie mit nach draußen, wo zwei seiner ältesten Freunde warten. Einer von ihnen, ein großer, seltsam geformter Mann mit eingefallenen Wangen, vorstehendem Bauch und langen, spindeldürren Beinen, hält einen goldenen Korb mit Metallgriffen – einen
esfandun
– in einer Hand. Die Seiten des
esfandun
sind kunstvoll im alten persischen Stil verziert, und er ist halb mit heißen Kohlen gefüllt. Saba erkennt den Korb. Es ist derselbe, der vor Jahren helfen sollte, Gefahren und den bösen Blick von den Kindern in der Nachbarschaft abzuwehren.
»Wirst du jetzt abergläubisch?«, fragt Saba scherzhaft ihren Vater.
Doch seine Miene ist ernst. »Erst das Alborz-Mädchen und dann der Aufstand, den Khanom Basir veranstaltet hat. Meine arme Tochter. Der böse Blick ruht schon lange auf dir. Ich möchte dich zusätzlich schützen.« Dann fügt er mit etwas leiserer Stimme hinzu: »Die zoroastrischen Praktiken gehören jedem. Es ist keine muslimische Praxis, weißt du?«
Der andere Mann, kleiner, mit vollem schwarzem Haar und einem dicken schwarzen Schnurrbart, der ihm bis über die Unterlippe hängt, holt einen Beutel
esfand
-Samen aus der Tasche. Er wirft die schokobraunen Samen auf die heißen Kohlen. Sie knistern, machen laute Knallgeräusche und geben duftende Rauchwölkchen ab. Saba atmet tief ein. Es ist ein schwerer Räuchergeruch, der angeblich den bösen Blick abwehrt. Ihr Vater nimmt den Korb und bewegt ihn über Sabas Kopf im Kreis – wie er das auch getan hat, als sie noch ein Kind war, wie es heute Abend wieder und wieder geschehen wird, mit Reza an ihrer Seite –, wobei er eine uralte Beschwörungsformel an einen vor langer Zeit gestorbenen persischen König aufsagt. Als er fertig ist, übergibt er den Korb seinem Freund, beugt sich vor und küsst seine Tochter auf beide Wangen.
»Du hast immer gesagt, dass so was Unfug ist«, sagt Saba.
Ihr Vater nickt. Er blickt sie mit ernsten, wässrigen Augen an. »Ich hab’s mir anders überlegt … seit ich auf deiner Verlobungsfeier eine Tasse Tee mit jeder Menge Salz drin bekommen hab.«
Saba will etwas sagen, aber eigentlich hat es nicht viel Sinn. Natürlich hat Khanom Basir den Zucker durch Salz ersetzt – ein Standardtrick, um ein Ereignis zu verfluchen. Ihr Vater lacht sein tiefes, kehliges Lachen. Er schwenkt den
esfandun
erneut über ihr (»Noch ein Mal für deine Schwiegermutter«) und führt dann seine Freunde weg. Saba bleibt im Hof neben dem kleinen Brunnen stehen, betrachtet ihre mit Henna bemalten Hände und ergötzt sich an der Möglichkeit, dass ihr Vater sich für Mahtab nicht so viel Mühe gemacht hätte. Sie denkt daran, wie sie mit ihrer Schwester um die Liebe ihres Vaters konkurriert, eine Nettigkeit gegen die andere aufgerechnet hat.
Sie kehrt zu Reza zurück, und für den Rest des Abends werden Kopftücher beiseitegeworfen, Zuckerhüte werden zerrieben, und
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