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Ein Teelöffel Land und Meer

Ein Teelöffel Land und Meer

Titel: Ein Teelöffel Land und Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dina Nayeri
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entschuldigt, dass sie Sabas Heirat mit eingefädelt hat. Stattdessen hat sie ihre Handlungsweise mit einer kräftigen Portion
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bedeckt und bildet sich ein, dass Saba in ihrer Schuld steht. Heute hat Saba angeboten, für die Familien Basir, Alborz und Mansuri einkaufen zu gehen. Gestern hat sie sich von ihnen Geld geben lassen – für Fleisch, Brot, Eier, Gemüse und möglicherweise zwangsläufig damit einhergehende Wischlappen, alte Seifenstücke oder Bimssteine –, und jetzt muss sie in Schlangen stehen, damit abends auch alle etwas auf dem Tisch haben. Sie kramt in ihrem Portemonnaie nach den zusätzlichen Lebensmittelmarken, die ihr Vater auf dem Schwarzmarkt kauft – unbenutzte Marken von Drogenabhängigen oder Leuten mit kürzlich verstorbenen Angehörigen, deren Ausweispapiere noch nicht entwertet wurden – und an Freunde und Bekannte verteilt.
    Als Saba Stunden später beladen mit frischem Fisch und anderen Waren das Haus der Basirs erreicht, schiebt sie den Küchenvorhang beiseite und sieht Ponneh und ihre Mutter, wie sie mit Khanom Basir und Khanom Omidi Gemüse schneiden. Die älteren Frauen hocken auf dem Boden, die Röcke fest um die Oberschenkel gewickelt, während Ponneh auf einem kleinen Schemel sitzt und lustlos eine Möhre schält, von der ihr orangerote Kringel um die Füße fallen.
    »Hast du den Einkauf schon aufgeteilt?«, fragt Khanom Basir, ohne aufzublicken.
    »Noch nicht«, sagt Saba und begrüßt alle. Ponneh küsst sie auf beide Wangen.
    »Schon gut, ich mach’s selbst.« Dann hebt Khanom Basir den Blick und fügt hinzu: »Gott schütze dich.«
    »Wie geht’s dir, Saba-dschan?«, erkundigt sich Khanom Alborz. »Wir haben dich länger nicht gesehen.«
    »Tja, sie ist ja noch immer frisch verheiratet«, sagt Khanom Basir mit einem anzüglichen kleinen Grinsen, das Saba frösteln lässt. »Da kann sie schlecht Zeit für uns haben.«
    »Ich war in letzter Zeit viel bei Baba zu Hause. Schade, dass du nicht auch mal vorbeigekommen bist«, sagt Saba zu Khanom Alborz.
    »Ach ja, was soll ich machen? Meine Tochter nimmt viel Zeit in Anspruch«, antwortet Khanom Alborz und lässt den Kopf übertrieben betrübt hängen. »Es geht ihr immer schlechter. Ihr solltet Gott für eure Gesundheit danken, Mädchen.«
    »Ja, ja«, meldet sich Khanom Basir erneut zu Wort. »Ihr zwei seid wirklich strahlend gesund und schön. Sag mal, Saba, machst du deinen Mann auch glücklich?« Das neckische Grinsen ist wieder da, und Saba wendet sich Ponneh zu, die das Gesicht verzieht und wegsieht.
    Khanom Basir schaut von ihrem Schneidebrett auf, dann erhebt sie sich vom Boden, geht zu Saba, die neben Ponneh steht, und nimmt ihr Kinn zwischen zwei Finger. Sie betrachtet sie beinahe liebevoll, und Saba setzt ein schüchternes, nervöses Lächeln auf.
    »Dein Mann erlaubt dir, Make-up zu tragen?«, fragt Khanom Basir. Ein blau-violett kariertes Kopftuch ist lose um ihren Hals geschlungen. Saba weiß, dass das Tuch früher Khanom Alborz gehörte, und sie fragt sich, wieso Khanom Basir es jetzt hat. Es ist alt – eine Touristin hat es am Strand liegen lassen –, aber es hat einen berühmten französischen Namen. Jetzt wischt sich Khanom Basir damit die Stirn ab, als wollte sie zeigen, dass sie darübersteht. »Na, du bist jetzt verheiratet«, sagt sie in einem Tonfall, von dem Saba zugeben muss, dass er beinahe freundlich klingt. Dann greift sie in die Tasche ihres langen Kleides und holt ein zerknittertes Stück Papier heraus. »Ich hab das Rezept gefunden, wie du deine großen Fenster sauber kriegst. Hier.«
    Das Rezept ist für eine simple Lauge aus drei Bestandteilen, von denen Essig den größten Anteil ausmacht. Es ist in einer krakeligen Handschrift verfasst. Saba dankt der älteren Frau, die sich ungewöhnliche Mühe gibt, ihr alle möglichen hausfraulichen Fähigkeiten beizubringen. Auf diese Art will sie demonstrieren, dass Saba und sie jetzt, wo die Heiratsfrage geklärt ist, Freundinnen sein können. Kurz nach der Hochzeit, als alle ihre Ersatzmütter in Sabas neues Zuhause kamen und ihr zeigten, wie man Gewürze lagert und Fisch entgrätet und was ihnen noch so alles an alltäglichen Dingen einfiel, war Khanom Basir diejenige, die Saba beibrachte, ihr eigenes Lieblingsgericht zu kochen, einen köstlichen
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, obwohl er für Abbas zu schwer verdaulich war. Und zwei Tage nach der Hochzeit war es auch Khanom Basir, die ihr einen herzhaften
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-Eintopf brachte, der ihr »Kraft geben« sollte.

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