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Ein Teelöffel Land und Meer

Ein Teelöffel Land und Meer

Titel: Ein Teelöffel Land und Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dina Nayeri
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Und jetzt hält sie Saba ihre Portion von dem Fisch hin, ordentlich in Plastikfolie gewickelt. »Willst du den jetzt mitnehmen oder später holen kommen, wenn du deine sonstigen Besorgungen gemacht hast?«
    »Ich komm noch mal wieder, danke«, sagt sie. Diese Gesten erinnern Saba an den Tag, als sie zum ersten Mal blutete und Khanom Basir ihr auf der Toilette erklärte, was es mit dem Frausein auf sich hat. Jetzt ist sie eine von ihnen, eine verheiratete Frau mit einer gewissen Würde – obwohl sie in ihrem Herzen nicht älter ist, nicht klüger und nicht weniger von selbstsüchtigen Begierden verzehrt, und wenn sie die Wahl hätte, würde sie am liebsten jeden Nachmittag mit ihren unverheirateten Freunden rauchend in der Vorratskammer vertrödeln.
    Ponneh hakt sich bei Saba unter und begleitet sie nach draußen. »Nächstes Mal warne ich dich vor, dann kannst du den Fisch draußen hinlegen.«
    »Davon wären sie bestimmt begeistert«, sagt Saba. »Deine Mutter hat Khanom Basir ja ihr schönes Kopftuch geschenkt. Ist das nicht das ausländische, das von der Touristin?«
    »Das war ein Versöhnungsgeschenk, nachdem sie sich mal wieder gestritten hatten.« Ponneh schiebt ein paar Haarsträhnen unter ihr Tuch und klaubt sich ein einzelnes Haar von der Zunge. »Über die Krankheit meiner Schwester und dass ich noch nicht heiraten darf. Dass ich als versauerte alte Jungfer sterben werde.«
    »Übertreib nicht«, sagt Saba. »Wie geht’s Reza?«
    Mit ihren spöttischen Mandelaugen sagt Ponneh:
Frag bloß nicht
. Saba kichert. Ihre Freundin tut ihr leid. Die Regeln ihrer Mutter lassen ihr kein anderes Ventil zur Selbstdarstellung als ihre Kleidung. In letzter Zeit probiert sie die Teheraner Mode aus, trägt weniger leuchtende Farben, hat ihr Kopftuch locker über eine Schulter geworfen und so weit nach hinten geschoben, dass bauschiges Haar über ihrem klassisch schönen Gesicht zu sehen ist. Saba senkt die Stimme zu einem Flüstern. »Ehrlich, Ponneh-dschan, schau dich doch an. Du
musst
einen Geliebten haben …« Ponneh blickt mit einem schwachen Lächeln auf, aber Saba redet weiter. »Ich kann mir schwer vorstellen, dass du die ganze Zeit ohne … jemanden auskommst.«
    Ponneh zupft an dem Ärmel ihrer rosa Baumwollbluse. »Ich hab genug Freundinnen.«
    »Das hab ich nicht gemeint«, sagt Saba.
    »Ich weiß, was du gemeint hast.« Ponneh sieht auf. »Ich vermisse unsere Zeit zu dritt. Reza geht’s genauso.« Als Saba wieder fragen will, fällt Ponneh ihr ins Wort. »Mach dir nicht so viele Sorgen. Wir würden dich nie außen vor lassen.« Saba nimmt die Hand ihrer Freundin. Sie weiß, dass Ponneh sie nur schonen will – dass sie und Reza sich bestimmt häufig sehen. Das merkt sie daran, wie Ponneh der Frage ausweicht, nachdenklich ihre Fingernägel inspiziert und dann einen ganz kurzen Moment wegschaut. Jetzt wechselt Ponneh in einen Flüsterton, und ihre Augen blitzen, als sie sich vorbeugt. »Ich verrate dir ein Geheimnis. Ich hab eine neue
Freundin
. Kennengelernt haben wir uns bei –« Dann stockt sie, und Saba wundert sich, dass Ponneh ihr nicht erzählen will, wo sie gewesen ist.
    »Ja?« Saba sieht Ponneh forschend an.
    Ponneh verdreht die Augen. »Sie heißt Farnaz.« Khanom Omidi tritt aus der Tür und kommt an ihnen vorbei. Sie küsst sie beide zum Abschied und lächelt ihr ahnungsloses Lächeln. Als sie weg ist, flüstert Ponneh: »Manchmal ist es schöner mit einem anderen
Mädchen

    »Worüber redet ihr beide da draußen?«, ruft Khanom Basir aus der Küche.
    Saba mustert Ponneh. »Ja, worüber reden wir eigentlich?«
    »Versteh mich nicht falsch«, sagt Ponneh. »Wir üben bloß. Sie wird bald heiraten. Ich ja vielleicht auch irgendwann mal. Aber vorläufig …« Ponneh zieht stolz eine Augenbraue hoch, wie ein Kind, das bei etwas wahnsinnig Ungezogenem ertappt worden ist. Saba kann sich nicht beherrschen. Sie fasst Ponnehs Arm, und beide biegen sich vor lautlosem Lachen.
    Sie würde Ponneh so gerne von dem Arrangement erzählen, das sie und Abbas getroffen haben. Ihr erklären, dass sie nicht mit einem alten Mann schläft und dass auch sie ein bisschen Übung gebrauchen könnte. Es tut gut, mit Ponneh wieder über so intime Dinge scherzen zu können. Aber sie beschließt, ihr Geheimnis für sich zu behalten. Das hat sie Abbas versprochen.
Es ist immer gut, möglichst wenig preiszugeben
, pflegte ihre Mutter zu sagen, und es erscheint ihr klug, sich jetzt an diesen Rat zu halten. »Ich vermisse

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