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Ein Teelöffel Land und Meer

Ein Teelöffel Land und Meer

Titel: Ein Teelöffel Land und Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dina Nayeri
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es auch«, sagt sie. »Wir drei zusammen in der Vorratskammer.«
    Ponneh wischt sich etwas Kajal aus dem Augenwinkel. »Meinst du, Abbas würde gern mitmachen?« Und wieder prusten sie los, wie früher, als sie noch junge Mädchen waren.
    »Ich muss aufbrechen –« Saba will sich mit einem Kuss von Ponneh verabschieden und beugt sich vor.
    Ponneh bremst sie. »Hör mal, ich muss dir was erzählen.«
    »Was denn?«
    »Erinnerst du dich noch an die Frau, die uns damals gesehen hat … an dem Tag? Die Freundin deiner Mutter?« Der unbeschwerte Tonfall ist aus Ponnehs Stimme verschwunden, und plötzlich hat sie wieder diesen bedrückten Gesichtsausdruck, den sie in den ersten Monaten nach dem Vorfall mit Mustafa dauernd trug.
    Saba nickt. »Dr. Zohreh? Ich dachte, du hättest sie gar nicht gesehen.«
    »Hab ich auch nicht«, sagt Ponneh. »Sie hat sich im Ort nach meinem Namen erkundigt und sich dann mit mir in Verbindung gesetzt.«
    »Wieso hast du mir nichts davon erzählt?«, will Saba wissen.
    Ponneh zuckt die Achseln. »Es war mein Geheimnis.« Dann sagt sie mit großer Bitterkeit: »Es ist
mir
passiert, nicht dir. Außerdem warst du ja damit beschäftigt, verheiratet zu sein.«
    Saba will sich entschuldigen, doch dann überfallen sie Erinnerungen an die Freundin ihrer Mutter.
    »Ich soll dir von Dr. Zohreh etwas ausrichten. Sie bittet dich, sie besuchen zu kommen. Sie hat gesagt, es gibt da etwas, von dem deine Mutter wollte, dass du es weißt.« Ein Gefühl von Enge zieht Saba die Brust zusammen. Ponneh verschränkt die Arme. »Ich überlege, ob ich ihrer Gruppe beitrete. Der Gruppe deiner Mutter. Shirzan.«
Löwin
. Sie lacht, beugt sich vor und fügt hinzu: »Den grässlichen Namen musst du ihnen nachsehen. Sie sind Ärztinnen und Ingenieurinnen, keine Dichterinnen.«
    »Warum willst
du
da mitmachen?«, fragt Saba. Sie hat den Namen Shirzan schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gehört, und auch früher nur beiläufig, in leisen Gesprächen ihrer Eltern. Aber ihre Erinnerungen genügen, um zu wissen, dass Ponneh, ein Dorfkind, das nach der achten Klasse die Schule verließ, nicht in diese Gruppe hineinpasst. Die Freundinnen ihrer Mutter waren Studentinnen und Töchter bedeutender Männer. Wieso sollte die Ärztin Ponneh ansprechen und nicht sie? Trotz ihrer Empörung ist Saba klar, dass sie ihre Zukunft nicht so aufs Spiel setzen würde, wie Ponneh es vielleicht tun wird – es wäre grausam, ihrem Vater noch mehr Sorgen zu bereiten. Sie fragt sich, was ihre Mutter wohl denken würde, wenn sie Saba und ihre Freunde jetzt als Zwanzigjährige sehen könnte. Reza, der seine Tage noch immer mit Fußball verplempert. Saba, die mit einem alten Mann verheiratet ist, und Ponneh als potenzielle Aktivistin. Wahrscheinlich würden ihr Hörner wachsen, so absurd ist es. Wie viel weiß Dr. Zohreh über das Geheimnis um Bahareh Hafezi? »Was hat Maman ihr erzählt?«
    »Keine Ahnung.« Ponneh zuckt die Achseln. Wieder hebt sie diese verführerische Augenbraue und sagt: »Da hab ich Farnaz kennengelernt.« Saba hat das Gefühl, dass Ponneh versucht, das Thema zu wechseln. Vielleicht will sie ihre neue Vertraute mit niemandem teilen. In einem Haus voller Schwestern hat Ponneh selten Gelegenheit, etwas nur für sich allein zu genießen. Saba küsst ihre Freundin zum Abschied, und sie verabreden sich für Freitag in der Vorratskammer zusammen mit Reza, weil es ein Jammer wäre, das größte Glück ihrer Kindheit einfach so aufzugeben.
    * * *
    Am Freitagnachmittag sagt Saba zu Abbas, dass sie den Rest des Tages bei ihrem Vater verbringen wird. Zum Abendessen will sie zurück sein, damit er nicht allein essen muss. Aber wann wird sie die Zeit haben, etwas zu kochen?, will er besorgt wissen. Sie beruhigt ihn damit, dass sie alles schon am Vormittag vorbereitet hat. Aber dann ist es doch nicht mehr frisch, sagt er düster voraus – weiß Saba denn nicht, dass Fisch ganz frisch gegessen werden muss? Ach, keine Sorge, verspricht Saba, es wird Lamm geben. Offensichtlich hat Saba vergessen, dass Abbas sich zum Abendessen Fisch gewünscht hat. Nach einigem Hin und Her gibt Abbas sich mit dem Versprechen zufrieden, dass er seinen Fisch einen Tag später bekommt, und verlässt das Haus. Saba, die eine halbe Stunde später aufbrechen will, geht ins Gästezimmer, holt ihre Schminksachen aus dem Versteck und legt dezentes Make-up auf. Sie lässt Songs von Paul Simon laufen, die sie in dem Stapel mit englischen Sprachkassetten

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