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Ein Todsicherer Job

Ein Todsicherer Job

Titel: Ein Todsicherer Job Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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drang. Schatten, Silhouetten – die finsteren Vorfahren der Schattenrissfiguren. Düsternis: zart und wild und feminin.
    »Setz dich. Iss was. Was nützt es, ins Oben zu steigen, wenn man hinterher so fertig aussieht?«
    Orcus knurrte und fuhr zu den drei Morrigan herum. »Zu lange nicht mehr in der Luft! Viel zu lange!« Aus dem Korb an seinem Gürtel nahm er einen Menschenschädel, warf ihn sich in den Mund und zerbiss ihn knirschend.
    Die Morrigan lachten, was wie Wind in den Röhren klang, freuten sich, dass ihm die kleine Gabe schmeckte. Sie hatten den größten Teil des Tages unter den Friedhöfen von San Francisco zugebracht und Schädel ausgegraben (Orcus mochte sie koffeinfrei). Dann hatten sie den Dreck wegpoliert, bis die Schädel schimmerten wie feinstes Porzellan.
    »Wir sind geflogen«, sagte Nemain. Sie gönnte sich einen Moment, um ihr blauschwarzes Federmuster zu bewundern. »Im Oben«, fügte sie unnötigerweise hinzu. »Sie sind überall und warten nur darauf, geklaut zu werden, wie Kirschen.«
    »Nicht geklaut«, sagte Orcus. »Du denkst wie eine Krähe. Sie warten nur auf uns.«
    »Ach ja? Und wo warst du? Ich hab diese hier.« Mit der einen Hand hielt die Schattenfrau William Creeks Regenschirm in die Luft, mit der anderen die Pelzjacke, die sie Charlie Asher weggenommen hatte. Beides leuchtete noch immer rot, wurde jedoch stetig matter. »Deshalb war ich oben. Bin geflogen.« Als niemand reagierte, fügte Nemain hinzu: »Oben.«
    »Ich bin auch geflogen«, sagte Babd ängstlich. »Ein bisschen.« Sie war etwas verlegen, weil sie kein Federmuster hatte und eher eindimensional war.
    Orcus ließ den großen Kopf hängen. Die Morrigan kamen zu ihm und begannen, die langen Stacheln zu streicheln, die einstmals Flügel gewesen waren. »Wir alle werden bald schon im Oben sein«, sagte Macha. »Dieser Neue weiß nicht, was er tut. Er wird schon dafür sorgen, dass wir bald alle im Oben sein können. Sieh dir an, wie weit wir schon gekommen sind! Wir stehen so kurz davor. Zwei im Oben, nach so kurzer Zeit. Frischfleisch, dieser Ahnungslose... vielleicht ist er genau das, was uns gefehlt hat.«
    Orcus hob seinen Stierschädel, grinste und entblößte ein Sägewerk von Zähnen. »Wir werden sie pflücken. Wie Obst.«
    »Siehst du«, sagte Nemain, »genau wie ich gesagt habe. Wusstest du, dass man im Oben so richtig weit sehen kann? Meilenweit. Und die wundervollen Düfte. Mir war nie klar, wie feucht und muffig es hier unten ist. Spricht eigentlich irgendwas dagegen, hier ein Fenster einzubauen?«
    »Schnauze!«, knurrte Orcus.
    »Meine Güte, beiß mir doch gleich den Kopf ab... «
    »Bring mich nicht auf dumme Ideen«, sagte der stierköpfige Tod. Er stand auf und ging dem dreifachen Tod – der Morrigan – voraus das Rohr entlang in Richtung Bankenviertel, zu dem vergrabenen Goldrauschschiff, in dem sie sich häuslich niedergelassen hatten.

 
     
     
     
     
     
     
     
    »Sucht nicht den Tod.
    Der Tod wird Euch schon finden.
    Aber sucht den Weg,
    der aus dem Tod Erfüllung werden lässt.«
     
    Dag Hammarskjöld

 
     
     
     
    Morgens ging Charlie wandern. Gegen sechs Uhr, nach einem frühen Frühstück, überließ er Sophie der Obhut Mrs. Korjews oder Mrs. Lings (je nachdem, wer dran war) und wanderte los. Im Grunde ging er eher spazieren, schlenderte durch die Stadt, mit seinem Stockdegen in der Hand, der mittlerweile zu seinen Alltagsinsignien gehörte, trug weiche, schwarze Lederschuhe und einen teuren, gebrauchten Anzug, den er sich in seiner Reinigung in Chinatown hatte ändern lassen. Zwar tat er, als verfolgte er ein Ziel, doch Charlie wanderte herum, um Zeit zum Nachdenken zu haben, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass er der Tod war, und um sich die Leute anzusehen, die morgens unterwegs waren. Er fragte sich, ob wohl das Mädchen am Blumenstand, bei der er oft eine Nelke für sein Knopfloch kaufte, eine Seele hatte oder ihre aufgeben würde, wenn er sie sterben sah. Er beobachtete den Mann in North Beach, der Gesichter oder Farne in den Schaum der Cappuccinos malte, und fragte sich, ob so etwas wohl ohne Seele überhaupt möglich war – oder setzte seine Seele bereits in Charlies Hinterzimmer Staub an? Es gab viel zu beobachten und viel nachzudenken.
    Wenn er sah, wie die Menschen dieser Stadt wach wurden, den Tag begrüßten, sich bereit machten, entwickelte er langsam nicht nur ein Gefühl für die Verantwortung seiner neuen Aufgabe, sondern auch für die Macht und nicht

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