Ein Todsicherer Job
elektromagnetischer Impulse orteten – Wesen, die nie das Licht sahen. Sie erinnerten ihn daran, was ihm aus der Unterwelt drohte, denn obwohl er mit einer gewissen Regelmäßigkeit neben seinem Bett Namen und an allen nur erdenklichen Orten Seelenschiffchen fand und obwohl die Raben und Schatten nicht mehr so oft auftauchten, spürte er sie doch unter der Straße, wenn er an einem Gully vorüberkam. Manchmal hörte man sie miteinander flüstern, aber sie schwiegen schnell, wenn es auf der Straße einmal still war, was selten vorkam.
Im Morgengrauen durch Chinatown zu spazieren war oft genug ein gefährlicher Tanz, denn hier gab es keine Hintertüren und keine Gassen zum Entladen. Sämtliche Waren mussten über den Bürgersteig transportiert werden, und obwohl Charlie bisher weder Freude an der Gefahr noch am Tanzen gehabt hatte, versuchte er sich nun als Tanzpartner zahlloser chinesischer Großmütter mit schwarzen Slippern oder marmeladenfarbenen Plastiklatschen, die von Händler zu Händler huschten. Sie drückten und schnüffelten und klopften, stets auf der Suche nach dem Frischesten und Besten für ihre Familie, näselten Fragen und Ermahnungen auf Mandarin, kaum eine Sekunde oder einen Fehltritt davon entfernt, von Rinderhälften, riesigen Gestellen mit frischen Enten oder Handwagen überrollt zu werden, auf denen sich Kisten mit lebenden Tauben stapelten. Noch hatte Charlie auf seinen Spaziergängen durch Chinatown kein Seelenschiffchen aufgetrieben, aber er war bereit, denn in diesem Strudel aus Zeit und Eile schien alles darauf hinzudeuten, dass irgendeine Oma eines kühlen Morgens aus ihren Klapperlatschen kippen würde.
An einem dieser Montage schnappte sich Charlie aus Spaß eine Aubergine, auf die es eine atemberaubend verschrumpelte Oma abgesehen hatte, doch statt sie ihm mit einem mystischen Kung-Fu-Tritt aus der Hand zu schlagen, wie er erwartet hatte, sah sie ihm nur in die Augen und schüttelte den Kopf – im Grunde kaum wahrzunehmen –, es hätte auch ein zuckendes Lid sein können, und doch war es eine denkbar eloquente Geste. Charlie verstand sie als: » Oh, du weißer Teufel, du solltest die Finger von dieser violetten Frucht lassen, denn ich habe dir viertausend Jahre Vorfahren und Zivilisation voraus. Meine Großeltern haben die Eisenbahn gebaut und die Silberminen gegraben, und meine Eltern haben das Erdbeben, das Feuer und eine Gesellschaft überlebt, in der es verboten war, Chinese zu sein. Ich habe ein Dutzend Kinder, einhundert Enkel und Heerscharen von Urenkeln. Ich habe Kinder geboren und die Toten gewaschen. Ich bin Geschichte und Leid und Weisheit. Ich bin ein Buddha und ein Drache. Also nimm deine stinkende Hand von meiner Aubergine, bevor du gleich keine Hand mehr hast. «
Und Charlie ließ los.
Und sie grinste, nur ganz wenig. Drei Zähne.
Und er fragte sich, ob er – sollte ihm je die Aufgabe zufallen, das Seelenschiffchen einer dieser Kronen des Kronos zu beschaffen – sie überhaupt heben konnte. Und er grinste zurück.
Und bat um ihre Telefonnummer, die er dann an Ray weiterreichte. »Sie machte einen netten Eindruck«, erklärte Charlie. »Reif.«
Manchmal führten Charlies Spaziergänge auch durch Japantown, wo er am rätselhaftesten Laden der ganzen Stadt vorüber- kam. Auf dem Schild stand Unsichtbare Schuhreparatur. Eines Tages wollte er nachsehen, was es damit auf sich hatte, aber noch war er viel zu sehr damit beschäftigt, sich an Riesenraben und Widersacher aus der Unterwelt zu gewöhnen – und daran, ein Totenbote zu sein. Er war nicht sicher, ob er unsichtbaren Schuhen gewachsen war, ganz zu schweigen von unsichtbaren Schuhen, die repariert werden mussten! Oft versuchte er, im Vorübergehen zwischen den japanischen Buchstaben ins Schaufenster zu spähen, aber er konnte nichts erkennen, was natürlich nichts zu bedeuten hatte. Er war einfach dafür noch nicht bereit. Aber in Japantown gab es ein Tiergeschäft (Haus von Hübsche Fisch und Wüstenrennmaus) , in dem er Sophies Fische gekauft hatte und in das er zurückgekehrt war, um die Fernsehanwälte durch sechs Fernsehdetektive zu ersetzen, die ebenfalls eine Woche später in die Ewigen Jagdgründe eingingen. Charlie war schier ausgeflippt, als er sah, dass seine Tochter sabbernd vor einem Goldfischglas hockte, in dem mehr tote Detektive dümpelten als auf einem Film-Noir-Festival, und nachdem er alle sechs auf einmal weggespült hatte und Magnum und Mannix mit der Gummisaugglocke freibekommen
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