Ein Todsicherer Job
zerstreute und der Sarg ins Grab gelassen wurde, und als dann das Bodenpersonal mit einem Bagger Erde ins Loch schaufelte, glaubte er nicht mehr so recht daran, dass ihm etwas einfallen würde.
Es gab noch die Möglichkeit der Grabräuberei, aber das war im Grunde eigentlich keine Idee, oder? Und selbst nach jahrelanger Erfahrung mit der Totenboterei war Charlie nicht scharf darauf, in einen Friedhof einzubrechen, die halbe Nacht lang einen Sarg auszugraben und dann Implantate aus einer Frauenleiche herauszuschneiden. Das war was völlig anderes als eine Vase vom Kaminsims mitzunehmen. Wieso konnte Madison McKernys Seele nicht in einer Vase auf dem Kaminsims stecken?
»Dann haben Sie das Ding also doch nicht bekommen«, sagte eine Stimme neben ihm.
Charlie wandte sich um und sah Inspector Rivera, der keinen halben Meter neben ihm stand. Er hatte den Mann nicht mehr gesehen, seit sie aus der Leichenhalle gekommen waren.
»Welches Ding?«
»Ja, welches Ding?«, sagte Rivera. »Man hat sie doch nicht mit ihren Diamanten begraben, was?«
»Das wäre eine Schande«, sagte Charlie.
»Die Schwestern haben sie bekommen«, sagte Rivera. »Wissen Sie, Charlie, die meisten Leute bleiben nicht, bis der Sarg geschlossen wird.«
»Tatsächlich?«, sagte Charlie. »Ich war nur neugierig. Wollte sehen, ob sie Schaufeln benutzen oder was. Und Sie?«
»Ich? Ich beobachte Sie. Haben Sie die Sache mit den Gullys eigentlich überwunden?«
»Ach, das! Ich musste nur meine Medikamentierung etwas umstellen.« Es war eine Formulierung, die Charlie von Jane übernommen hatte, und bei ihr schien die Ausrede gut zu funktionieren.
»Nun, dann behalten Sie sie im Auge, Charlie. Und ich behalte Sie im Auge. Adios.« Rivera ging davon.
»Adios, Inspector«, sagte Charlie. »Hey, schicker Anzug übrigens. «
»Danke. Ich habe ihn in Ihrem Laden gekauft«, sagte Rivera, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Wann war er in meinem Laden? dachte Charlie.
In den folgenden zwei Wochen fühlte sich Charlie, als hätte jemand sein Nervensystem auf die falsche Voltzahl eingestellt, und er vibrierte förmlich vor Unruhe. Er dachte, er sollte vielleicht Minty Fresh anrufen, ihn warnen, dass er Madison McKernys Seelenschiffchen nicht hatte holen können, aber wenn die Gullyhexen nicht deswegen aus ihren Löchern kamen, dann vielleicht, weil er Kontakt zu einem anderen Totenboten aufnahm. Stattdessen behielt er Sophie zu Hause und passte auf, dass die Höllenhunde sie nicht aus den Augen ließen. Die meiste Zeit sperrte er die Hunde sogar in ihrem Zimmer ein, weil sie ihn sonst nur zu seinem Tagesplaner gezerrt hätten, auf dem keine neuen Namen erschienen. Nur die überfällige Madison McKerny und die beiden Frauen, Esther Johnson und Irena Posokowanowich, die am selben Tag aufgetaucht waren, aber noch Zeit hatten, bis ihr Haltbarkeitsdatum abgelaufen war – oder wie man es nennen wollte.
Also nahm er seine Spaziergänge wieder auf, lauschte, wenn er an Gullys oder Kanaldeckeln vorüberkam, doch schien die Finsternis daraus nicht aufzusteigen.
Charlie fühlte sich nackt, so ohne seinen Stockdegen, den Rivera einbehalten hatte, also machte er sich daran, einen neuen zu beschaffen, und stieß dabei auf zwei weitere Totenboten. Den Ersten fand er im Mission District, in einem Antiquariat namens Book ’ em Danno . Also, eigentlich war es kein richtiges Antiquariat mehr. Es gab zwar noch ein paar Bücherregale, aber der Rest des Ladens war mit Krimskrams vollgestopft, vom Klempnerzubehör bis hin zu Footballhelmen. Charlie wusste genau, wie es so weit kommen konnte. Man begann mit einer Buchhandlung, dann machte man ein einziges, harmloses Geschäft, vielleicht ein Paar Bücherstützen für eine Erstausgabe, dann das Nächste, man nahm wegen eines einziges Gegenstands eine ganze Gerümpelkiste vom Flohmarkt mit, und bald schon hatte man ein Riesensortiment unterschiedlich großer Krücken und veralteter Radioröhren und konnte sich beim besten Willen nicht mehr erinnern, woher man diese Bärenfalle hatte, und doch lag sie da, neben dem hellgrünen Ballettröckchen und der Armadrillo Penispumpe. Zweite Hand außer Rand und Band. Hinten im Laden, beim Tresen, stand ein Bücherregal, in dem jeder Band mattrot pulsierte.
Charlie stolperte über einen Spucknapf und fand Halt an einem Elchgeweih-Garderobenständer.
»Alles in Ordnung?«, fragte der Besitzer und blickte von seinem Buch auf. Er war um die sechzig, die Haut fleckig von zu viel Sonne, die
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