Ein toedlicher Plan
Gerichtsdiener rief den ersten Fall auf, dann setzten sie sich wieder. Die Prozedur erinnerte Dudley an die Liturgie bei einem Hochamt.
»Es wird bestimmt billiger für dich werden, was?«
»Pst!«
»Ich meine, wenn du mich nicht bumst, sparst du doch ’ne Menge Kohle, oder?«, sagte Junie.
»Sei still!«
»Können wir dann auch mal zusammen verreisen?«
»Natürlich. Und ich werde ein Konto für deine Collegeausbildung einrichten.«
Sie lachte, als hätte er einen gelungenen Witz gemacht.
Die Richterin wirkte ungeduldig und gelangweilt, als sie in einem Sorgerechtsfall gegen den Vater entschied. Die Mutter warf ihm hämische und triumphierende Blicke zu, während sie mit ihrem Anwalt und einem hübschen zehnjährigen chinesischen Mädchen über den Mittelgang nach draußen ging. Dudleys Augen folgten ihren dünnen Beinen.
Der Gerichtsdiener rief: »Der Fall June R. Minderjährig.«
»Was soll der Scheiß von wegen minderjährig?«, zischte Junie, und mehrere Köpfe drehten sich zu ihr um.
»Pst. Vor dem Gesetz gilt jeder, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, als minderjährig«, erklärte ihr Dudley.
»Find ich ganz schön beschissen«, murrte sie.
Er wischte sich die schweißfeuchten Hände ab, erhob sich rasch und atmete tief durch. »Der Antragsteller ist bereit, Euer Ehren.«
Die Richterin zog die Akte zu sich heran. »Worum geht es denn hier genau, Mr. Dudley?«
»Um einen Antrag auf Adoption und Vormundschaft, Euer Ehren.«
»Aha«, sagte die Richterin und öffnete die Akte.
»Was ist geschehen?«, fragte Sean Lillick.
Die Ärztin war Mitte dreißig, hatte glattes blondes Haar und trug außer leuchtend blauem Lidschatten kein Make-up. Lillick konnte ihr nicht ins Gesicht sehen, ohne auf das Blau zu starren. Ihr Schildchen wies sie als Dr. Sarravich aus und zeigte ein sehr unvorteilhaftes kleines Bild von ihr.
»Botulismus«, antwortete die Medizinerin.
»Botulismus? Das ist doch eine Art Lebensmittelvergiftung, oder?«
Dr. Sarravich hielt nicht viel von Feinfühligkeit, wusste jedoch, dass man sie Angehörigen und anderen Besuchern dosiert wie ein Medikament verabreichen musste. »Ich fürchte, Mrs. Lockwood hat etwas sehr Verdorbenes gegessen.«
»Aber sie wird wieder gesund, oder?«
»Unter Botulismus versteht man eine bakterielle Lebensmittelvergiftung, und mit der ist nicht zu spaßen. Mrs. Lockwood steht unter Schock und hat das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt. Sie hat sehr viel Flüssigkeit verloren, und die Prognose, die ich stellen muss, ist nicht sehr erfreulich. Wir sollten uns besser mit ihren Eltern in Verbindung setzen.«
»Ich habe keine Ahnung, wo die leben. Aber ich kann Ihnen den Namen von einem Mann geben, der ihre Adresse bestimmt hat. Darf ich sie sehen?«
»Nein, sie liegt auf der Intensivstation«, sagte Dr. Sarravich. Warum mussten Ärzte immer so ernst sein? Es hatte den Anschein, als würde der Kampf gegen den unausweichlichen Zusammenbruch des menschlichen Körpers sie allen Humors berauben.
»Steht es denn wirklich so schlimm um sie?«, fragte Lillick.
Die Ärztin zögerte – ihr Eingeständnis an die Feinfühligkeit – und antwortete dann: »Ich fürchte, wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen.«
Einen Moment später hielt sie einen Block und einen Stift in der Hand. »Wie lautet der Name des Mannes, mit dem ich mich in Verbindung setzen soll?«
Lillick schrieb den Namen und die Telefonnummer auf den Block. »Donald Burdick. Und wer ist das?«, fragte Dr. Sarravich.
»Der Chef der Kanzlei, in der sie arbeitet. Ich bin mir sicher, dass er alles in seiner Macht Stehende tun wird, um ihr zu helfen.«
Taylor öffnete langsam die Augen. Ihre Haut brannte vom Fieber, als hätte man sie mit Sandpapier abgeschmirgelt. Sie konnte kaum etwas klar erkennen, und ihr Kopf schien in einem Schraubstock eingezwängt zu sein. Arme und Beine waren nicht zu gebrauchen und kamen ihr vor wie Holzscheite, die man an ihren Leib gepfropft hatte. Sie hatte immer noch Krämpfe, Übelkeit stieg weiter in ihr hoch, und ihr Mund war ausgetrocknet.
Eine junge Frau in einer blauen Tracht bezog gerade das Nachbarbett.
Taylor hatte in ihrem ganzen Leben noch nie solche Schmerzen gehabt. Jeder Atemzug tat ihr weh, jeder Gedanke löste eine Schmerzwoge aus. Sie vermutete, dass die Nerven in ihren Händen und Beinen abgestorben waren, und hielt das für einen Segen. Wenn ihr auch noch die Finger und Zehen wehgetan hätten, hätte sie sich das Leben
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