Ein toedlicher Plan
Mittelfeld der Anwaltskanzleien von Manhattan. Unter den vierundachtzig Partnern fanden sich elf Frauen, zehn Juden (fünf von ihnen weiblichen Geschlechts), eine Amerikanerin ostasiatischer Herkunft und drei Schwarze (darunter zur großen Freude der Geschäftsleitung einer von gleichzeitig iberoamerikanischer Herkunft). Wenn die Kanzlei von den Medien oder von den Anwälten aus Bevölkerungsminderheiten darauf angesprochen – gelegentlich eher hart angegangen – wurde, wie sie es mit den Minderheiten hielte, erklärte ihre Sprecherin gewöhnlich: »Hubbard, White & Willis macht keine Unterschiede hinsichtlich Rasse, Geschlecht, sexuellen Vorlieben, nationaler oder Stammesherkunft. Unsere Geschäftspolitik besteht einzig und allein darin, nur die besten juristischen Köpfe dieses Landes für unsere Kanzlei zu gewinnen.« Des Weiteren verwies die Sprecherin dann darauf, dass Hubbard, White & Willis nicht nur eines der aktivsten und effektivsten Minderheitenschutzprogramme in der ganzen Stadt verfolge, sondern auch bereitwillig Anwälte für Klienten stelle, die unter das Armenrecht fielen.
Hubbard, White & Willis machte nun das große Geld. Allein die Betriebskosten beliefen sich mittlerweile auf über zwei Millionen Dollar im Monat, und die Partner der Kanzlei verlangten heute erheblich höhere Gebühren als Frederick Hubbard zu seiner Zeit. Eine Stunde bei einem ihrer Anwälte kostete bis zu vierhundertfünfzig Dollar, und bei wirklich großen Transaktionen wurde dem betreffenden Klienten zusätzlich eine Prämie (die von den Assistenten und Anwaltsgehilfen als »Granitgebühr« bezeichnet wurde, weil keiner der Anwälte in diesem Punkt nachgab) von bis zu zweihundertfünfzigtausend Dollar auf die Rechnung gesetzt. Junge Assistenten, gerade fünfundzwanzig Jahre alt und frisch von der Uni, verdienten im Jahr fünfundneunzigtausend Dollar.
Die gegenwärtigen Partner konnten nicht verleugnen, Nachfahren von Hubbard und White zu sein. Es handelte sich bei ihnen durchweg um brillante, gebildete Geister mit gefestigter Persönlichkeit, die verantwortungsbewusst handelten und Risiken mieden. Sie ähnelten eher Ratgebern und Gelehrten als knallharten Geschäftsleuten und waren Mitglieder in Clubs wie King of Meadowbrook oder Creek Club. Bei den Juniorpartnern konnte man eine eigenartige Mischung aus Gegenwart und vergangenen Jahrzehnten feststellen. Sie trugen unter ihren Hart-Schaffner-&-Marx-Anzügen Hosenträger, liebten die hölzerne College-Atmosphäre des Yale Club, und ihre Handflächen wurden noch feucht, wenn sie Finanzierungen von Stadtverwaltungen planten oder Firmenaufkäufe in die Wege leiteten. Zur gleichen Zeit schworen sie alle auf HD-Lipoproteine und Diätpläne und joggten pro Woche rund neunhundert Meilen. Und mehr als ein männlicher Partner hatte Unterschriftsleistungen von Salomon Brothers oder Merrill Lynch so terminiert, dass seine Frau diesen Vorgang überwachen konnte, während er selbst dafür sorgte, dass Paul junior oder der kleine Atkins in die Dalton School kam.
Hubbard, White & Willis war aus dem Kalksteingebäude in einen Palast aus Glas und Stahl gezogen. Die Kanzlei belegte nun drei Etagen in einem Wolkenkratzer nahe dem World Trade Center. Ein Innenarchitekt hatte eine Dreiviertelmillion dafür erhalten, die Klienten mit unübersehbarem Understatement in Ehrfurcht zu versetzen. Im Gesamteindruck überwogen Lavendel, Burgunderrot und Meeresblau, dazu Rauchglas, gebürstete Metallflächen und dunkles Holz mit Seidenglanzoberfläche. Marmorne Wendeltreppen verbanden die einzelnen Etagen miteinander, und die Bibliothek war in einem drei Stockwerke hohen Atrium mit fünfzehn Meter hohen Fenstern untergebracht, von denen man einen atemberaubenden Ausblick auf den Hafen von New York City hatte. Die zahlreichen Stahl- und Bronzeskulpturen (darunter einige wenige mit dezent erotischen Darstellungen), die Textiltapeten und die seidenen Kozo-Trennwände prägten sich zwar nicht so sehr ins Gedächtnis des Besuchers ein wie die Gemälde von Calder, Pollack, Monet und Matisse, verstärkten aber dennoch die Wertschätzung der Kunstsammlung der Kanzlei, die auf gut und gerne acht Millionen Dollar geschätzt wurde.
In dieser Kombination von Modelleinrichtungen, wie man sie in den Zeitschriften
MOMA
und
Interieur Design
vorgestellt bekam, war der Konferenzraum 16-2 als Einziger groß genug, um alle Partner der Kanzlei aufzunehmen. Doch am heutigen Dienstagmorgen saßen dort nur zwei Männer am Ende
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