Ein toedlicher Plan
Kreise ab. Nur ein Gedanke beherrschte Lillick: Er wollte das hier nicht. Er hatte sich aus einem ganz anderen Grund heute Abend mit Carrie getroffen und sein Ziel bereits erreicht. Er hatte sie keineswegs wegen ihrer einer Wildente ähnlichen Augen oder der weichen Finger eingeladen, die jetzt seinen Penis bearbeiteten, und auch nicht wegen ihres vorgewölbten Bauches oder der überraschend wenigen Haare an ihrem Schamdreieck oder ihrer Beine, die runder und weicher waren als alles Fleisch, das er je berührt hatte. Nein, das alles hatte er wirklich niemals im Sinn gehabt.
Er küsste sie eine volle Minute lang.
Ihm fiel auf, dass er den Digitalsampler nicht abgeschaltet hatte. Das bedeutete, dass die Anlage die Geräusche ihrer körperlichen Liebe aufzeichnen und speichern würde. Lillick zögerte einen Moment, entschied sich dann aber dafür, nicht auf die Stopptaste zu drücken. Man konnte nie wissen, ob man solche Sounds einmal verwenden wollte.
Er sah sich selbst als Jongleur.
Thom Sebastian meditierte über diese Selbstsicht.
Die Show war vor Jahren am Off-Broadway aufgeführt worden, doch er konnte sich noch so gut daran erinnern, als wäre es gestern gewesen. Eine Varieté-Show voller kitschiger und verlogener Blumenkinder-Sentimentalität, Hippie-Humor und psychedelischer Bilder. Ein Künstler war Sebastian jedoch besonders im Gedächtnis haften geblieben: der Jongleur. Er hatte bei seiner Darbietung nicht wie andere Bälle oder Keulen benutzt, sondern ein Beil, eine brennende Fackel, eine Kristallvase, eine volle Flasche Wein und ein Weinglas.
Von Zeit zu Zeit fiel Sebastian diese Show wieder ein, und auch, wie sich sein Magen zusammengezogen hatte, wenn der Mann einen neuen Gegenstand aufnahm und ihn in hohem Bogen durch die Luft fliegen ließ; er erinnerte sich an das Lächeln auf dem Gesicht des Jongleurs und an seine Augen, die auf den Zenit des Flugobjekts gerichtet waren (dieser Trick begeisterte Sebastian heute noch – wie der Künstler dorthin geschaut hatte, ohne wirklich hinzusehen), an die ungeheure Spannung und die meisterliche Darbietung. Alle warteten darauf, dass die Metallschneide den Künstler verletzen, die Flamme etwas anzünden oder das Glas zersplittern würde. Aber nichts davon geschah. Er hatte nicht einen Schweißtropfen auf der Stirn, und sein Lächeln verkündete dem Publikum: So weit, so gut.
Sebastian, der am Freitagmorgen in seinem Büro saß und sich völlig leer und erschöpft fühlte, sagte sich jetzt auch: So weit, so gut. Ihm war klar, dass die Jongleurnummer wie reine Magie erschienen war, in Wahrheit jedoch nicht mehr als die Koordination der Muskeln und das völlige In-sich-Versenken des Künstlers dahinter steckte. So oder zumindest so ähnlich musste eine Zen-Erfahrung sein. Allerdings war Sebastian sich da nicht so ganz sicher, denn er wusste so gut wie nichts über religiöse oder spirituelle Dinge. Aber das Bild vom Jongleur gefiel ihm, und er sah sein eigenes Leben als einen ähnlichen Orbit von herumfliegenden Gegenständen. Einige davon waren so zerbrechlich wie Glas, andere so gefährlich wie brennende Fackeln.
Als Thom Sebastian erfahren musste, dass der Vorstand von Hubbard, White & Willis ihn nicht zum Partner machen wollte, hatte er mit sich selbst eine Konferenz abgehalten und war nach längerer Debatte zu dem Schluss gelangt, die Anzahl seiner Arbeitsstunden deutlich zu reduzieren. Von nun an wollte er entspannen und genießen.
Doch er musste feststellen, dass diese Abmachung zu den wenigen in seinem Leben gehörte, die er nicht einhalten konnte. Die Klienten suchten ihn immer noch auf und baten ihn um Hilfe. Einige von ihnen waren gierige Mistkerle, die den Hals nicht voll bekamen, ein paar waren ausgesprochene Charakterschweine, aber auf die meisten von ihnen traf weder das eine noch das andere zu. Doch darauf kam es ohnehin nicht an. Sie waren seine Klienten, und als solche verdienten sie den besten Rechtsbeistand, den er ihnen geben konnte.
Zu seiner großen Verblüffung stellte Sebastian bald fest, dass es ihm physisch nicht möglich war, es mit der Arbeit ruhiger angehen zu lassen. Er schuftete weiterhin so unermüdlich wie bisher, und in seinen vielen Überstunden bewerkstelligte er zwei Refinanzierungen, die Abwehr eines Firmenaufkaufs und ein Abkommen über einen fortlaufenden Kredit.
Viel von seiner Zeit ging aber auch drauf mit seinen privaten Immobilientransaktionen, seinem Spezialprojekt mit Bosk, seinen wechselnden Freundinnen,
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