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Ein toedlicher Plan

Titel: Ein toedlicher Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Deaver
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Gedanken, mit denen er langsam jonglierte. Der eine drehte sich um das Kreditabkommen, an dem er gerade arbeitete und dessen Unterlagen vor ihm auf dem Schreibtisch ausgebreitet waren. Der andere hatte mit Taylor Lockwood zu tun.
    Er zog die Papiere zu sich heran und betrachtete den Text mit höchster Konzentration. Dennoch vergingen zehn Minuten, ehe er das erste Wort las.
    Dem Klienten steht der Angstschweiß auf der Stirn.
    »Wir haben die fiskalischen Aspekte …« Er schüttelt den Kopf, verbessert sich und fängt noch mal von vorne an: »Wir haben damals die Finanzen der letzten zehn Jahre durchgesehen. Aber es hat keine Buchprüfung stattgefunden …«
    Unter seinem feinen, pink-grau karierten Anzug breiten sich auf dem weißen Hemd dunkle Kreise aus. Der Klient hat den Arm ausgestreckt, bearbeitet mit Daumen und Zeigefinger die rechte Braue und zupft einzelne Härchen aus. Diese Braue ist sichtlich dünner als die andere. Solange Mitchell Reece den Mann kennt, ist er hager gewesen, doch jetzt sieht er so aus, als hätte er zusätzlich an Gewicht verloren, und zwar seit etwa einem Monat, dem Zeitraum, in dem sie sich auf das Hanover-Stiver-Verfahren vorbereiten.
    »Möchten Sie ein Glas Wasser?«, fragt Reece.
    Der Klient schüttelt den Kopf und reißt sich ein weiteres Haar aus. »… die Buchprüfung fand nicht statt, weil es vor gut zwei Jahren im Hauptsitz der Firma zu einem Feuer gekommen ist. Trotzdem habe ich mich dafür entschieden … Es war meine Entscheidung, den Kredit zu gewähren.«
    Sie sitzen in Reeces Büro, und es ist Freitagnachmittag. Der Klient ist der US-Manager der Banque Industrielle de Genève, und sein Sessel steht exakt einen halben Meter von dem Aktenschrank entfernt, in dem sich einmal der Wechsel befunden hat, der beweist, dass seine Bank Hanover & Stiver eine große Summe Geldes geliehen hat. Natürlich weiß der Klient nicht, dass das Papier nicht mehr da ist. Er ist auch so schon der Panik nahe, denn er ist es gewesen, der mit seiner Unterschrift den Kredit an Lloyd Hanover perfekt gemacht hat. Dieser Hanover verhält sich nicht nur unverschämt, was dem US-Manager schon bei den ersten Verhandlungen aufgefallen sein muss, er ist auch noch durch und durch korrupt – eine Eigenheit, die dieser wohl geflissentlich übersehen hat.
    Der Klient hat schreckliche Angst, denn er steckt in großen Schwierigkeiten. Er ist Amerikaner, und die Leitung der Schweizer Bank, die Amerikaner, um es noch höflich auszudrücken, generell verachtet, hat ihn nur zähneknirschend mit der Wahrung ihrer Interessen betraut. Der Kredit, den der Klient gewährt hat, hat die Bank bereits einige hunderttausend Dollar an Abgaben und Gebühren gekostet. Wenn Reece den Prozess verliert, es ihm also nicht gelingt, einen Schuldspruch für die Gegenseite zu erwirken, wird die US-Dependance der Banque Genève höchstwahrscheinlich geschlossen werden, und dann ist der Klient seinen Job los. In der kleinen Welt des internationalen Bankgeschäfts kann ein Mann, dem ein so schwerer Fehler unterläuft, mag er auch in gutem Glauben gehandelt haben, damit rechnen, auf lange Zeit keine neue Anstellung zu finden. Der US-Manager hat eine Frau, zwei Kinder, die eine der besten Schulen besuchen, und ein drittes, das nächstes Jahr aufs College geht. Zusätzlich unterstützt er seine Mutter. Sein Job ist nicht nur
sein
Leben, sondern auch der Treibstoff, der seine ganze Familie am Leben erhält.
    Obwohl es bis zum Gerichtsverfahren noch zehn Tage sind, hat Reece sich bereit erklärt, seinen Klienten schon heute auf den Termin vorzubereiten. Der Mann hat gestern gegen Mitternacht angerufen und um ein paar Tipps und Winke für seine Zeugenaussage gefleht, damit er sie sich bis zu seinem Auftritt einprägen kann. Reece bedauert bereits sein Entgegenkommen. In spätestens einer Stunde muss er im Flugzeug nach New Orleans sitzen, und er sollte sich eigentlich schon längst auf die dortigen Verhandlungen vorbereiten. Reece pflegt die Kunst, alles zu seiner Zeit zu erledigen, und es irritiert ihn, wenn er gezwungen wird, sich mit einer Angelegenheit zu befassen, deren Zeitpunkt noch nicht gekommen ist.
    Und doch versteht er natürlich die Ängste und Befürchtungen seines Klienten. Reece bietet ihm mehrere Möglichkeiten an, wie er seine Aussage anlegen kann. Er will vor allem das Selbstbewusstsein des US-Managers stärken. Montag in einer Woche werden Lloyd Hanovers Anwälte, kaum dass er im Zeugenstand Platz genommen hat, alles

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