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Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
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Zähne nicht nur fleckig, sondern auch in sehr schlechtem Zustand und sehen aus, als ob er sie noch nie im Leben geputzt hätte. Auf einer Seite fehlen vier Backenzähne, auf der anderen drei, und ein Schneidezahn ist abgebrochen. Er ist aber ein Mann, der Wert auf sein Äußeres legt, wie seine Haare und Hände beweisen. Was sagst du dazu?«
    »Ach, solche neureichen Leute niedriger Herkunft machen sich über ihre Zähne meist nicht viele Gedanken und haben eine Heidenangst vor dem Zahnarzt.«
    »Stimmt; aber ein Backenzahn hatte eine abgebrochene Kante, die so scharf war, daß er sich die Zunge daran wundgescheuert hat. Etwas Schmerzhafteres gibt es nicht. Willst du mir etwa sagen, das würde jemand ertragen, wenn er es sich leisten könnte, zum Zahnarzt zu gehen und die Kante abschleifen zu lassen?«
    »Weißt du, die Menschen sind komisch. Ich habe schon Dienstboten gekannt, die lieber Höllenqualen erduldet als eine Zahnarztpraxis betreten hätten. Woher weißt du das überhaupt, Wimsey?«
    »Hab hineingesehen; elektrisches Taschenlämpchen«, sagte Lord Peter. »Ausgesprochen praktische Erfindung. Sieht aus wie eine Streichholzdose. Also - das stimmt ja wahrscheinlich alles, ich wollte dich nur darauf aufmerksam machen. Zweiter Punkt: Ein Herr mit manikürten Händen und nach Veilchen duftendem Haar und so weiter wäscht sich nie die Ohren. Voller Schmalz. Ekelhaft.«
    »Da hast du mich erwischt, Wimsey; das ist mir nicht aufgefallen. Aber - schlechte Angewohnheiten sterben schwer.«
    »Stimmt auch wieder! Schieben wir's darauf. Punkt drei: Ein Herr mit manikürten Händen und Brillantine und dergleichen hat Flöhe.«
    »Himmel noch mal, du hast recht! Flohbisse. Auf die Idee bin ich nicht gekommen.«
    »Gar kein Zweifel möglich, mein Lieber. Die Bisse waren verblaßt und alt, aber nicht zu verkennen.«
    »Natürlich, jetzt wo du's sagst. Trotzdem, das kann eigentlich jedem passieren. Ich habe vorletzte Woche erst so einen Hüpfer im besten Hotel von Lincoln springen lassen. Hoffentlich hat er den nächsten Gast gebissen!«
    »Gewiß, alle diese Dinge  könnten  jedem passieren - jedes für sich allein. Punkt vier: Ein Herr mit Veilchenduft im Haar etcetera wäscht sich den Korpus mit starker Karbolseife - so stark, daß man es vierundzwanzig Stunden später noch riecht.«
    »Um die Flöhe loszuwerden.«
    »Eins muß man dir lassen, Parker, du hast auf alles eine Antwort. Punkt fünf: Sorgfältig herausgeputzter Herr mit manikürten, wenngleich abgeknabberten Fingernägeln, hat unverschämt schmutzige Zehnägel, die aussehen, als ob sie seit Jahren nicht mehr geschnitten worden wären.«
    »Paßt alles zu den bereits erwähnten Angewohnheiten.«
    »Ja, ich weiß, aber  was  für Angewohnheiten! Nun zum sechsten und letzten Punkt: Besagter Herr mit teilweise vornehmen Angewohnheiten kommt mitten in einer regnerischen Nacht, nachdem er schon vierundzwanzig Stunden tot ist, offenbar durchs Fenster herein und legt sich, unjahreszeitgemäß nur mit einem Kneifer bekleidet, still in Mr. Thipps' Badewanne. Seine Frisur ist kein bißchen durcheinander - die Haare wurden erst vor so kurzer Zeit geschnitten, daß an seinem Hals und in der Badewanne noch jede Menge kurzer Härchen kleben - und er hat sich erst vor so kurzer Zeit rasiert, daß er sogar noch angetrocknete Seife an der Wange -«
    »Wimsey!«
    »Augenblick - und  angetrocknete Seife im Mund  hat.«
    Bunter war aufgestanden und stand plötzlich, ganz der respektvolle Diener, neben dem Kriminalbeamten. »Noch einen Kognak, Sir?« flüsterte er.
    »Wimsey«, sagte Parker, »du machst mir eine Gänsehaut.« Er leerte sein Glas in einem Zug - starrte es an, als wunderte er sich, wieso es leer war, stellte es hin, stand auf, ging zum Bücherschrank, drehte sich um, stellte sich mit dem Rücken davor und sagte: »Hör mal, Wimsey - du hast Kriminalromane gelesen und faselst Unsinn.«
    »Keineswegs«, antwortete Lord Peter schläfrig. »Es wäre allerdings ein ungemein guter Stoff für einen Kriminalroman, wie? Wir werden einen schreiben, Bunter, und Sie illustrieren ihn mit Photos.«
    »Seife im - Quatsch!« sagte Parker. »Es muß etwas anderes gewesen sein - irgendeine Verfärbung -«
    »Nein«, sagte Lord Peter, »es waren sogar Haare darin. Borstige. Der Mann hatte einen Bart gehabt.«
    Er zog seine Uhr aus der Tasche und entnahm ihr ein paar längere, steife Haare, die er zwischen Innen- und Außendeckel gesteckt hatte.
    Parker drehte sie ein paarmal
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