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Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
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durchstehen«, erklärte Mr. Graves. »So was gibt es hier also nicht. Ein ruhiges, geordnetes Familienleben, Mr. Bunter, hat so manches für sich. Essen zu geregelten Zeiten; ordentliche, angesehene Familien zu Gast - keine von diesen angemalten Frauen - und keine Bedienung in der Nacht - das hat  vieles  für sich, Mr. Bunter. Ich halte im allgemeinen nicht viel von Juden, Mr. Bunter, und ich verstehe auch, daß Sie es vielleicht als einen Vorteil für sich betrachten, in einer adligen Familie angestellt zu sein, aber das bedeutet heutzutage nicht mehr soviel, und ich muß sagen, obwohl Sir Reuben ein Neureicher ist, kann keiner behaupten, daß er ordinär sei, und die gnädige Frau ist sowieso eine feine Dame - Miss Ford hieß sie früher, eine von den Fords aus Hampshire, und beide sind immer ausgesprochen rücksichtsvoll.«
    »Ich stimme Ihnen zu, Mr. Graves - Seine Lordschaft und ich haben es nie mit der Engstirnigkeit gehalten - wie? O ja, meine Liebe, natürlich ist das ein Fußabdruck, das ist ja das Linoleum vor dem Waschbecken. Ein guter Jude kann auch ein guter Mensch sein, das habe ich schon immer gesagt. Und geregelte Arbeitszeit und Rücksichtnahme haben manchen Vorzug. Aber einen sehr schlichten Geschmack hat Sir Reuben, nicht? Für so einen reichen Mann, meine ich.«
    »Wirklich sehr schlicht«, bestätigte die Köchin. »Die Mahlzeiten, die er und Ihre Ladyschaft zu sich nehmen, wenn sie mit Miss Rachel allein sind - also, wenn es nicht die Abendgesellschaften gäbe, die immer gut sind, wären mein Talent und mein Können hier verschwendet, wenn Sie verstehen, Mr. Bunter.«
    Mr. Bunter fügte seiner Sammlung noch den Schirmgriff hinzu und heftete, assistiert vom Hausmädchen, ein Laken vors Fenster. »Vorzüglich«, sagte er. »Und wenn ich nun die Decke auf dem Tisch haben könnte und eine zweite auf einem Handtuchständer oder etwas Ähnlichem, als Hintergrund sozusagen - sehr lieb von Ihnen, Mrs. Pemming... Ach ja! Ich wünschte, Seine Lordschaft würde auch des Nachts nicht mehr bedient werden wollen. Wie oft mußte ich schon bis um drei oder vier Uhr morgens aufbleiben, und dann wieder raus, um ihn früh zu wecken, weil er irgendwo am anderen Ende des Landes Detektiv spielen mußte. Und was er für einen Schmutz an seinen Kleidern und Schuhen mit nach Hause bringt!«
    »Es ist wirklich eine Schande, Mr. Bunter«, sagte Mrs. Pemming verständnisvoll. »Das nenne ich sogar gemein. In meinen Augen ist Detektivarbeit keine angemessene Beschäftigung für einen Herrn, geschweige für einen Lord.«
    »Und er macht es einem auch noch so schwer«, opferte Mr. Bunter edelmütig den Ruf seines Arbeitgebers sowie seine eigenen Gefühle für die gute Sache. »Die Schuhe in eine Ecke geschmissen, die Kleider am Boden aufgehängt, wie man so schön sagt -«
    »Das ist bei Leuten, die mit einem goldenen Löffel im Mund geboren sind, ja oft der Fall«, sagte Mr. Graves. »Aber Sir Reuben, der hat seine altmodischen Gewohnheiten nie abgelegt. Kleider ordentlich gefaltet, Schuhe ins Ankleidezimmer gestellt, damit man sie sich morgens holen kann - überhaupt alles so leicht gemacht wie möglich.«
    »Aber vorletzte Nacht hat er das vergessen.«
    »Die Kleider, aber nicht die Schuhe. Sir Reuben nimmt immer Rücksicht auf andere. Ach ja, wenn ihm nur nichts zugestoßen ist!«
    »Hoffentlich nicht, der arme gnädige Herr«, stimmte die Köchin ein. »Und was da erzählt wird, daß er sich leise aus dem Haus geschlichen hätte, um etwas zu tun, was sich nicht gehört, also, das glaube ich nie, Mr. Bunter, das möchte ich noch auf dem Totenbett beschwören.«
    »Ah!« sagte Mr. Bunter, indem er seine Bogenlampen aufstellte und an der nächsten Steckdose anschloß. »Das kann man wirklich nicht von jedem behaupten, der unsereinen bezahlt.«
    *
    »Höchstens einsachtzig«, sagte Lord Peter, »keinen Zentimeter mehr.« Er betrachtete skeptisch die Einbuchtung im Bettzeug und maß ein zweitesmal mit seinem »Vademecum« nach.
    Parker trug die Information in ein kleines Notizbuch ein. »Ich nehme an«, sagte er, »daß ein fast einsneunzig großer Mann, wenn er sich zusammenkrümmt, auch eine einsachtzig lange Mulde im Bett hinterlassen  könnte. «
    »Hast du schottisches Blut in den Adern, Parker?« erkundigte sein Kollege sich verbittert.
    »Nicht daß ich wüßte«, antwortete Parker. »Warum?«
    »Weil du von allen vorsichtigen, kleinlichen, genauen und kaltherzigen Teufeln, die ich kenne, der vorsichtigste,
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