Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
Vom Netzwerk:
kleinlichste, genaueste und kaltherzigste bist«, sagte Lord Peter. »Hier stehe ich und schwitze mir das Gehirn aus, um deine faden, niedrigen polizeilichen Ermittlungen mit einer wirklich sensationellen Entdeckung anzureichern, und du weigerst dich standhaft, auch nur ein Fünkchen Begeisterung zu zeigen.«
    »Es hat nun einmal keinen Sinn, voreilige Schlüsse zu ziehen.«
    »Voreilig? Bis du einen Schluß ziehst, hat er sich längst von selbst gezogen. Ich glaube, du könntest die Katze mit der Nase in der Sahneschüssel erwischen und würdest es noch für denkbar halten, daß die Schüssel schon leer war, als sie ihre Nase hineinsteckte.«
    »Nun, das  wäre  ja auch immerhin denkbar, nicht?«
    »Scher dich zum Kuckuck«, sagte Lord Peter. Er klemmte sich sein Monokel ins Auge und beugte sich, schwer durch die Nase atmend, über das Kopfkissen. »Hier, reich mir mal die Pinzette«, sagte er wenig später. »Mann Gottes, puste nicht so, du bist doch kein Wal!« Er pflückte einen fast unsichtbaren Gegenstand vom Leinen.
    »Was ist das?« fragte Parker.
    »Ein Haar«, antwortete Wimsey grimmig, wobei seine harten Augen noch härter wurden. »Komm, wir sehen uns mal Levys Hüte an, und du könntest nach dem Herrn mit dem Friedhofsnamen läuten, ja?«
    Mr. Graves erschien und traf Lord Peter im Ankleidezimmer auf dem Boden hockend an, die umgedrehten Hüte vor sich aufgereiht.
    »Da sind Sie ja«, rief dieser fröhlich. »Also, Mr. Graves, wir machen hier ein Ratespiel - den Dreihütetrick sozusagen. Hier liegen neun Hüte, darunter drei Zylinder. Identifizieren Sie alle neun Hüte als Sir Reuben Levys Eigentum? Ja? Sehr schön. Jetzt darf ich dreimal raten, welchen Hut er in der Nacht trug, in der er verschwand, und wenn ich richtig rate, habe ich gewonnen; wenn nicht, haben Sie gewonnen. Verstanden? Fertig? Los. Übrigens, ich nehme doch an, daß Sie die richtige Lösung kennen?«
    »Habe ich richtig verstanden, daß Eure Lordschaft fragen, welchen Hut Sir Reuben trug, als er am Montagabend ausging, Mylord?«
    »Nein, Sie haben gar nichts verstanden«, sagte Lord Peter. »Ich habe gefragt, ob  Sie es wissen -  sagen Sie es mir aber nicht, ich will ja raten.«
    »Ich weiß es, Mylord«, antwortete Mr. Graves vorwurfsvoll.
    »Gut«, sagte Lord Peter. »Da er zum Essen ins Ritz ging, trug er einen Zylinder. Hier sind drei Zylinder. Bei dreimaligem Raten muß ich also den richtigen erwischen, nicht? Das ist nicht sehr sportlich. Ich rate also nur einmal. Es war der hier.« Er zeigte auf den Hut, der dem Fenster am nächsten lag. »Habe ich recht, Graves - steht mir der Preis zu?«
    »Das  ist  der fragliche Hut, Mylord«, antwortete Mr. Graves ohne Begeisterung.
    »Danke«, sagte Lord Peter, »das ist alles, was ich wissen wollte. Schicken Sie Bunter mal zu mir rauf, ja?«
    Mr. Bunter erschien mit gekränkter Miene, die sonst so gepflegte Frisur vom Kameratuch zersaust. »Ah, da sind Sie, Bunter«, sagte Lord Peter. »Passen Sie mal auf -«
    »Hier bin ich, Mylord«, antwortete Mr. Bunter mit respektvollem Tadel, »aber wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, Mylord, gehöre ich eigentlich nach unten, wo alle diese jungen Frauen herumlaufen - damit sie nicht mit den Beweisstücken herumhantieren, Mylord.«
    »Ich flehe um Gnade«, sagte Lord Peter, »aber ich habe mich schon hoffnungslos mit Mr. Parker zerstritten und mir den ehrenwerten Mr. Graves zum Feind gemacht, und nun möchte ich von Ihnen wissen, was Sie für Fingerabdrücke gefunden haben. Ich finde keine Ruhe, bis ich es weiß, also seien Sie nicht so hart mit mir, Bunter.«
    »Nun, Mylord, Eure Lordschaft werden verstehen, daß ich sie noch gar nicht alle photographiert habe, aber ich will nicht leugnen, daß sie auf den ersten Blick recht interessant aussehen, Mylord. Das Büchlein vom Nachttisch, Mylord, weist nur Fingerabdrücke von  einer  Hand auf - mit einer kleinen Narbe am rechten Daumen, die sie leicht erkennbar macht. Auf der Haarbürste, Mylord, finden sich die gleichen Fingerabdrücke wieder. Am Schirm, dem Zahnglas und den Schuhen dagegen befinden sich  zwei  Arten von Abdrücken: von der Hand mit der Narbe am Daumen, die ich für Sir Reubens Hand halte, Mylord, und diese überlagert von einem Satz Schmierflecken, wenn ich sie so nennen darf, Mylord, wobei es sich um dieselbe Hand mit Gummihandschuhen handeln könnte oder auch nicht. Ich könnte Ihnen das genauer sagen, Mylord, wenn ich sie erst photographiert hätte, um sie messen zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher