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Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
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den Hals und küßte mich, ganz als ob sie für das Getränk bezahlen wollte - was mir wirklich zu Herzen ging«, sagte Mr. Thipps ein bißchen doppeldeutig, aber mit ungewöhnlichem Nachdruck. Hier ließ sich jemand aus dem Hintergrund mit einem »Prosit« und einem Geräusch wie von schmatzenden Lippen vernehmen. »Entfernen Sie die Person, die diese unanständigen Töne von sich gibt«, befahl der Untersuchungsrichter indigniert. »Fahren Sie bitte fort, Mr. Thipps.«
    »Also«, fuhr Mr. Thipps fort, »etwa um halb eins war es, soviel ich weiß, da fing es an, ein bißchen hoch herzugehen, und ich sah mich nach meinem Freund um, weil ich ihm gute Nacht sagen wollte, denn ich wollte dort nicht länger bleiben, wie Sie verstehen werden; da sah ich ihn mit einer der jungen Damen, und die beiden kamen alles in allem ein bißchen zu gut miteinander aus, wenn Sie mir folgen können - mein Freund zupfte ihr die Bänder von der Schulter, und die junge Dame lachte - und so weiter«, sagte Mr. Thipps eilig, »und ich dachte gerade, ich mache mich am besten still davon, als ich plötzlich ein Getrappel und einen Ruf hörte - und bevor ich wußte, was los war, stand auf einmal ein Dutzend Polizisten da, und das Licht ging aus, und alles rannte durcheinander und schrie herum - es war ganz fürchterlich. Ich wurde in dem Gedränge umgeworfen und stieß mir den Kopf ziemlich böse an einem Stuhl an - daher habe ich diese Beule, nach der Sie mich gefragt haben - und ich hatte furchtbare Angst, daß ich nie mehr da herauskommen würde, und alles würde auffliegen und mein Photo womöglich in der Zeitung erscheinen - da packte mich plötzlich jemand - ich glaube, es war die junge Dame, der ich den Gin bezahlt hatte - und sie sagte: >Hier geht's lang<, und stieß mich einen Gang entlang und an der Hinterseite irgendwo hinaus. Von da bin ich dann durch ein paar Straßen gelaufen und schließlich in der Goodge Street herausgekommen. Dort habe ich mir ein Taxi genommen und bin nach Hause gefahren. Ich habe den Bericht über die Razzia später in der Zeitung gelesen und gesehen, daß mein Freund auch davongekommen war, und darum habe ich nichts davon gesagt, weil das ja nichts war, was man gern bekannt werden lassen möchte, und ich wollte meinen Freund nicht in Schwierigkeiten bringen. Das ist die Wahrheit.«
    »Nun, Mr. Thipps«, sagte der Untersuchungsrichter, »wir werden einen gewissen Teil dieser Geschichte ja nachprüfen können. Der Name Ihres Freundes -«
    »Nein«, erklärte Mr. Thipps eigensinnig, »um keinen Preis.«
    »Na schön«, sagte der Untersuchungsrichter. »Können Sie uns nun wenigstens sagen, um welche Zeit Sie nach Hause gekommen sind?«
    »Ungefähr um halb zwei, glaube ich. Aber ich war eigentlich so aufgeregt -«
    »Ganz recht. Sind Sie sofort zu Bett gegangen?«
    »Ja. Zuerst habe ich noch ein Sandwich gegessen und ein Glas Milch getrunken. Ich dachte, das würde mich etwas beruhigen, sozusagen«, fügte der Zeuge entschuldigend hinzu, »weil ich doch Alkohol zu so später Stunde und auf nüchternen Magen nicht gewöhnt bin, wie man so sagt.«
    »Eben. Ist niemand Ihretwegen aufgeblieben?«
    »Niemand.«
    »Wie lange haben Sie denn ungefähr gebraucht, um ins Bett zu kommen?«
    Mr. Thipps meinte, es könne eine halbe Stunde gewesen sein.
    »Sind Sie noch ins Bad gegangen, bevor Sie zu Bett gingen?«
    »Nein.«
    »Und in der Nacht haben Sie nichts gehört?«
    »Nein. Ich bin ganz fest eingeschlafen. Da ich so aufgeregt war, habe ich eine Schlaftablette genommen, und durch die Müdigkeit und die Milch und die Schlaftablette bin ich dann sofort eingeschlafen und erst wieder aufgewacht, als Gladys mich wecken kam.«
    Im weiteren Verhör war wenig aus Mr. Thipps herauszuholen. Ja, das Badezimmer sei offen gewesen, als er morgens hineinging, dessen sei er sicher, und er habe das Mädchen deswegen scharf ins Gebet genommen. Er sei bereit, jede Frage zu beantworten; er werde nur zu glücklich sein, wenn diese schreckliche Geschichte bis auf den Grund geklärt werde. Gladys Horrocks sagte aus, sie stehe seit etwa drei Monaten in Mr. Thipps' Diensten. Ihre vorigen Arbeitgeber konnten ihr ein Charakterzeugnis ausstellen. Es sei ihre Pflicht, abends noch einmal die Runde durch die Wohnung zu machen, nachdem sie Mrs. Thipps um zehn zu Bett gebracht habe. Ja, sie erinnere sich, das am Montagabend auch getan zu haben. Sie habe in alle Zimmer gesehen. Ob sie sich erinnern könne, an diesem Abend das Badezimmer-Fenster

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