Ein Traummann auf Mallorca
sie. Charlene sprach mit jemandem – nicht mit Aurora, sondern mit einem Erwachsenen. Hatte das Kindermädchen etwa Besuch? Am Ende vielleicht sogar von einem Mann? Ein boshaftes Lächeln umspielte Dolores’ Lippen. Das würde Javier ganz gewiss nicht gefallen, oh nein …
Im nächsten Moment wurde ihr klar, dass Charlene telefonierte.
Vorsichtig schob Dolores die Tür ein wenig weiter auf und spähte vorsichtig in den Raum. Die junge Engländerin lief ruhelos im Zimmer auf und ab. Ihre Stimme klang jetzt sehr viel deutlicher – und was sie sagte, ließ Dolores wie gebannt lauschen.
„… müssen uns unterhalten, Señora Velásquez. Javier hat mir erzählt, was zwischen Ihnen vorgefallen ist. Können wir uns irgendwo treffen?“
Dolores brauchte keine zehn Sekunden, um eins und eins zusammenzuzählen. Sie kannte nur eine Señora Velásquez, und das war Maria, Javiers Tante. Dass Charlene Beckett mit ihr in Verbindung treten wollte, war eine höchst erstaunliche und ungemein interessante Entwicklung der Dinge.
Kurz erwog Dolores, gleich zu Javier zu gehen und ihm zu berichten, was sie erfahren hatte. Doch dann entschied sie sich dagegen. Es erschien ihr klüger, gewisse Informationen zunächst für sich zu behalten und sie erst dann zu verwenden, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war.
Leise zog sie sich zurück. Charlene Beckett sollte nicht einmal ahnen, dass irgendjemand ihr kleines Geheimnis kannte. Umso größer würde der Überraschungseffekt sein, wenn die Bombe schließlich platzte …
Am Abend saß Charlene in Shorts und Wickeltop auf dem Balkon ihres Zimmers und schaute gedankenverloren zu, wie die Sonne langsam hinter dem Horizont versank. Der lodernde Feuerball färbte das Meer leuchtend rot, während hoch am Himmel bereits die ersten Sterne blinkten.
Die Hitze des Tages hing noch immer über der Insel, schwer und feucht. Es war die Art von Wetterlage, bei der schon die kleinste Bewegung ausreichte, um einen in Schweiß ausbrechen zu lassen. Vermutlich würde es im Laufe der Nacht anfangen zu regnen. Doch im Augenblick war die Luft dick und zähflüssig wie Sirup, sodass selbst das Atmen schwerfiel.
Charlene hatte vor einer halben Stunde erneut versucht, Señorita Velásquez zu erreichen. Erfolglos. Entweder hatte die Spanierin ihren Anrufbeantworter nicht abgehört, oder aber sie wollte einfach nicht mit ihr sprechen. Für letzteren Grund fand Charlene zwar keine Erklärung, aber ganz gleich, welche der beiden Alternativen nun zutraf, die elende Warterei machte sie zunehmend nervös. Und je länger sie darüber nachdachte, umso weniger perfekt erschien ihr das Arrangement, das sie mit Maria Velásquez getroffen hatte.
Obwohl die Unternehmerin nichts Unredliches von ihr verlangte, fühlte sich die ganze Sache für Charlene inzwischen wie ein Verrat an. Was für eine Ironie! Noch vor Kurzem hatte sie in Javier Santiago nichts anderes erkennen können als einen eiskalten, geldgierigen Geschäftsmann, der mit allen Mitteln versuchte, ihren Vater aus dem Rennen zu drängen. Doch inzwischen sah sie die Welt nicht mehr nur in Schwarz und Weiß – sie wusste jetzt, dass Javier kein schlechter Mensch war und dass er seine Tochter von ganzem Herzen liebte.
Und vergiss in deiner Aufzählung auch nicht, dass du mehr für ihn empfindest, als du eigentlich solltest …
Sie zuckte zusammen, als es an der Tür klopfte. Kurz darauf erklang Javiers gedämpfte Stimme. „Charlene? Ich weiß, du hast eigentlich schon Feierabend, aber … könnte ich kurz stören?“
Ihr dummes Herz, dieses verräterische und höchst eigensinnige Organ, fing sofort an, heftiger zu klopfen. Charlene wog ab, wie hoch ihre Chancen standen, dass Javier einfach wieder verschwand, wenn sie nicht antwortete. Sie kam zu dem Schluss, dass es nichts brachte, wenn sie den Kopf in den Sand zu stecken versuchte. Also erhob sie sich leise seufzend, ging zur Tür und öffnete sie einen Spalt.
„Ja?“ Sie hielt den Blick gesenkt. Zu oft hatte sie erlebt, welch verheerende Wirkung es auf sie ausübte, Javier in die Augen zu sehen.
„Darf ich eintreten?“
„Natürlich.“ Sie atmete tief durch, dann gab sie die Tür frei. „Es ist dein Haus.“
Er ging an ihr vorbei in den Raum, und für einen kurzen Moment war Charlene, als stiege die Temperatur in ihrer Umgebung sprungartig um mehrere Grad an. Natürlich wusste sie, dass das nicht stimmte, und gab sich Mühe, das lächerliche Gefühl zu ignorieren.
„Was kann ich für dich
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