Ein Traummann auf Mallorca
Javier wichtiger ist? Du oder Dolores?“
Zögernd blickte das Mädchen sie an. „Hm … Ich?“
„Natürlich du!“ Charlene stupste Aurora mit dem Zeigefinger auf die Nase. „Und zwar egal, was passiert, hörst du? Dein Papá kann es vielleicht nicht immer so zeigen, aber er hat dich sehr lieb, das weiß ich ganz sicher.“ Sie lächelte. „Und nun lauf los und zeig ihm, was du für ihn gemacht hast!“
Die Ansprache zeigte Wirkung, denn Auroras Strahlen kehrte zurück. Sie nahm Charlene den Samtbeutel ab und verließ, halb hüpfend, halb laufend, den Raum.
Lächelnd schaute Charlene ihr nach. Doch als das Geräusch von Auroras Schritten verklungen war, verblasste auch Charlenes Lächeln. Ein seltsames Gefühl ergriff von ihr Besitz. Dieses nervöse Kribbeln im Bauch, das sie immer dann verspürte, wenn sie etwas Unangenehmes tun musste! Es war da gewesen, als sie, kurz nach ihrer Ankunft auf Mallorca, im Vorzimmer von Grahams behandelndem Arzt gesessen und darauf gewartet hatte, vorgelassen zu werden. Etwas schwächer, aber doch deutlich war es jedes Mal zu spüren gewesen, wenn sie eine Mahnung im Briefkasten ihres Vaters vorgefunden hatte – wohl wissend, dass sie die betreffende Rechnung ebenso wenig würde bezahlen können wie all die anderen, die sich bereits auf seinem Schreibtisch stapelten. Die Begegnung mit Maria Velásquez schien alldem ein Ende bereitet zu haben. Charlene brauchte sich keine Sorgen mehr über die finanzielle Zukunft ihres Vaters zu machen. Und dank der vereinbarten Sonderzahlung stellte auch die Finanzierung von Grahams Therapie keine Hürde da. Alles schien in bester Ordnung.
Ach wirklich? Und warum hast du dann in den vergangenen zwei Nächten mehr Zeit mit Grübeleien verbracht als mit Schlafen?
Das Gespräch mit Javier hatte sie aufgewühlt. Und das Vertrauen, das er ihr entgegenbrachte, beschämte sie. Vor allem, da sie das Gefühl hatte, sich, wenn auch unabsichtlich, in ein Netz von Lügen und Intrigen verstrickt zu haben.
Mach dich doch nicht lächerlich, du wusstest genau, was du tust! Señora Velásquez hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass ihr Neffe nichts von eurem Arrangement erfahren darf. Was dachtest du denn, warum?
Seufzend fuhr Charlene sich durchs Haar. Ja, es stimmte. Und dass sie die Wahrheit bislang verdrängt hatte, machte es nicht besser. Doch damit war jetzt Schluss. Ein für alle Mal!
Entschlossen zückte Charlene ihr Handy und tippte erneut die Nummer des Büroanschlusses von Señora Velásquez ein. Und dieses Mal, das nahm sie sich fest vor, würde sie sich nicht so einfach von der Sekretärin abwimmeln lassen.
Dazu kam es allerdings nicht, denn ihr Anruf wurde automatisch zu einem Anrufbeantworter weitergeleitet. Im ersten Moment wollte Charlene auflegen, doch dann besann sie sich anders. Vielleicht war dies ihre Chance, endlich mit Maria Velásquez in Kontakt zu treten. Sie musste es wenigstens versuchen!
„Charlene Beckett hier“, sagte sie, nachdem das Signal für die Aufzeichnung erklungen war. Ihre Stimme zitterte leicht. „Señora Valásquez, ich muss Sie dringend sprechen. Aber bitte rufen Sie mich nicht auf meinem Handy zurück, das ist zu riskant. Hinterlassen Sie eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter meines Vaters. Ich werde ihn regelmäßig abhören.“ Sie atmete tief durch. „Wir müssen uns unterhalten, Señora Velásquez …“
Dolores war aus der Stadt gekommen, um Javier ein paar Unterlagen zu bringen, die dringend unterzeichnet werden mussten. Doch er war – wie in letzter Zeit so häufig – mit seiner Tochter beschäftigt. Ja, er hatte sie, Dolores, sogar angewiesen, draußen zu warten! So etwas war noch nie vorgekommen. Die Arbeit hatte für Javier immer an allererster Stelle gestanden. Doch jetzt nicht mehr.
Und die alleinige Verantwortung dafür trug niemand anderes als diese Charlene Beckett!
Wütend hatte Dolores sich, anstatt wie aufgetragen vor dem Arbeitszimmer zu warten, auf den Weg zum Kinderzimmer gemacht. Dorthin, wo sie Charlene vermutete. Sie wollte sich diese unmögliche Person vornehmen, ihr vor Augen halten, mit wem sie sich anlegte. Dolores arbeitete nun schon lange darauf hin, die nächste Señora Santiago zu werden, und dieses Vorhaben würde sie sich von einem dahergelaufenen Kindermädchen gewiss nicht kaputt machen lassen! Nein, dazu hatte sie viel zu viel Zeit und Mühe in Javier investiert.
Doch als sie die Tür zum Kinderzimmer aufstoßen wollte, die einen Spalt offen stand, zögerte
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