Ein Traummann auf Mallorca
Ihnen ausrichten, dass Ihr Vater früher als erwartet von der Untersuchung zurückgebracht worden ist.“
Charlene sprang auf. „Ich komme sofort!“
„Ich bin wirklich froh zu hören, dass es deinem Vater besser geht.“ Javier hatte Charlene nach einer Stunde vor dem Krankenzimmer abgeholt, und nun waren sie auf dem Rückweg zu seinem Haus.
Statt einer Erwiderung machte Charlene gedankenverloren „Hm“. Sie hatte den größten Teil der Strecke geschwiegen, weil ihr einfach zu viele Gedanken im Kopf herumgingen, die sie erst einmal sortieren musste. Alles war von der Sorge um ihren Vater überschattet gewesen, die sich nun glücklicherweise als unbegründet erwiesen hatte. Die Infektion war nicht so gefährlich wie zunächst angenommen, und die Ärzte hatten Entwarnung gegeben.
Während Charlene bei ihrem Vater gewesen war, hatte Javier vor der Zimmertür im tristen Krankenhausflur gewartet. Auf ihren Vorschlag, sich in die Cafeteria im Erdgeschoss zu setzen, war er nicht eingegangen. Offenbar wollte er sie unter keinen Umständen allein lassen, und das war so verflixt ritterlich, dass ihr Herz allein bei dem Gedanken zu flattern begann. Um Himmels willen, was stellte dieser Mann bloß mit ihr an?
Dabei hatte sie wahrlich andere Sorgen. Javiers Schilderungen über den Bruch mit seiner Familie hingen ihr noch immer nach. Wenn wir Santiago-Männer eines nicht ertragen können, dann, von jemandem manipuliert zu werden. Der Satz ging ihr ständig im Kopf herum.
Hatte Maria Velásquez sich deshalb an sie gewandt? Um Javier auf irgendeine, Charlene bislang undurchschaubare Art und Weise zu manipulieren?
Warum sollte sie sich sonst bereit erklärt haben, für Grahams Behandlungskosten aufzukommen? Sei nicht dumm, Charlene! Du hast von Anfang an befürchtet, dass die Sache einen Haken hat, schon vergessen?
Vergessen? Nein, natürlich nicht. Allenfalls verdrängt. Doch erst jetzt, da sie Javiers Geschichte kannte, wurde ihr langsam klar, auf was sie sich eingelassen hatte.
Wenn er herausfindet, dass seine Tante dich geschickt hat, wird er sich verraten und verkauft fühlen. Und zwar nicht nur von Maria, sondern auch von dir. Vor allem von dir …
Mit einem stummen Seufzen strich sie sich über die Augen. Eine verdammt verzwickte Situation, in der sie sich da befand, und sie wusste nicht, was sie als Nächstes tun sollte. Ein Teil von ihr drängte darauf, Javier einfach die Wahrheit zu sagen. Was konnte schon groß passieren?
Er könnte annehmen, dass du von Anfang an in die Pläne seiner Tante eingeweiht warst! Und wenn er dich dann achtkantig hinauswirft, hast du jegliche Chance, etwas für Aurora zu tun, verspielt.
Aber wie sah die Alternative aus? Einfach ignorieren, was sie erfahren hatte? Darauf warten, dass Maria Velásquez sich bei ihr meldete und irgendetwas von ihr verlangte, das sie nicht tun wollte?
„Charlene? Was ist los mit dir? Du bist so still.“
Sie atmete tief durch. Sag es ihm! Sag ihm die Wahrheit! Er wird es verstehen. Dies ist der perfekte Moment! Doch sie brachte es einfach nicht über sich. Stattdessen zwang sie ein Lächeln auf ihre Lippen. „Es ist nichts. Ich bin nur ziemlich müde. Es war ein anstrengender Tag …“
Er nickte. Dann nahm er seine Hand von der Gangschaltung und drückte ihre sacht. Sie war froh, dass es bereits dämmerte. So bemerkte er hoffentlich nicht, dass ihr Tränen in die Augen schossen.
Das Problem war, dass allein der Gedanke, Aurora und Javier zu verlieren, ihr schier das Herz zerriss. Ja, nicht nur Aurora, sondern auch Javier. Das musste sie sich inzwischen eingestehen. Charlene seufzte. Wie hatte es nur so weit kommen können? Sie wusste es nicht. Fest stand nur, dass sie so schnell wie möglich mit Maria Velásquez sprechen musste. Und ihr sagen, dass sie ihr für ihre Hilfe dankbar war, aber dass sie nichts tun würde, was das Vertrauen, das Javier und Aurora ihr entgegenbrachten, enttäuschte.
Die Unterredung mit Maria duldete keinen Aufschub. Denn in einem Punkt war Charlene sich absolut sicher: Solange sie die Angelegenheit nicht hinter sich gebracht hatte, würde sie nicht mehr ruhig schlafen können.
8. KAPITEL
„Der ist ja wirklich entzückend, mein Schatz!“ Aufrichtig bewunderte Charlene den mit einer Satinschleife versehenen kleinen Beutel aus dunkelblauem Samt, den ihr Schützling ihr stolz präsentierte. Die Sechsjährige hatte mehrere Stunden konzentriert an ihrem Werk gearbeitet. „Weißt du schon, was du hineintun
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