Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
Vom Netzwerk:
der Platz des Hausherrn – und sagte: »Daß wir uns nur recht verstehen. Dies ist mein Haus, und was ich damit vorhabe, ist meine Sache. Ich will weder von dir noch von Rechtsanwälten, Freunden oder anderen Leuten irgendwelche Ratschläge. Ich beabsichtige, hier zu wohnen, und wenn dir nichts daran liegt, hier mit mir zu leben, dann mußt du allein weitersehen …«
    Vita zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch hastig in die Luft. Sie war sehr blaß geworden. »Ist das der Entscheidungskampf? Ein Ultimatum?« fragte sie.
    »Nenn es, wie du willst«, sagte ich. »Ich möchte nur die Dinge klarstellen. Magnus hat mir dieses Haus hinterlassen, und ich will mir hier mein Leben einrichten – unser Leben, wenn ihr bei mir bleiben wollt. Deutlicher kann ich mich nicht ausdrücken.«
    »Du meinst, du hast den Gedanken an den Direktorenposten, den Joe dir in New York angeboten hat, ganz aufgegeben?«
    »Ich habe diesen Gedanken niemals gehabt, du hattest ihn für mich.«
    »Und wie stellst du dir das vor? Wovon sollen wir leben?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte ich, »und im Augenblick ist es mir gleichgültig. Nachdem ich über zwanzig Jahre lang in einem Verlag gearbeitet habe, kenne ich mich in meinem Fach aus und werde vielleicht selbst Schriftsteller. Ich könnte zunächst mal die Geschichte dieses Hauses schreiben.«
    »Ach du liebe Zeit!« antwortete sie lachend und drückte ihre angerauchte Zigarette im nächsten Aschenbecher aus. »Nun, das würde dich wenigstens beschäftigen. Und was soll ich inzwischen tun? Einem Handarbeitsverein im Dorf beitreten oder so was?«
    »Du könntest dasselbe tun wie alle Frauen, nämlich dich anpassen.«
    »Liebling, als ich bereit war, dich zu heiraten und in England zu wohnen, hattest du einen durchaus lohnenden Posten in London. Du hast ihn ohne Grund aufgegeben, und jetzt willst du dich hier am Ende der Welt niederlassen, wo wir keine Menschenseele kennen und im Umkreis von zweihundert Kilometern keine Freunde haben? Das ist einfach lächerlich.«
    Wir befanden uns in einer Sackgasse, und es störte mich, daß sie mich Liebling nannte, obgleich der Augenblick so gar nicht danach angetan war. Die ganze Situation langweilte mich ohnehin bereits; ich hatte gesagt, was ich zu sagen hatte, und Streit führte ja doch zu nichts. Außerdem wünschte ich sehnlich, ins Ankleidezimmer hinaufzugehen und Flasche C zu untersuchen. Wenn ich mich recht entsann, sah sie etwas anders aus als die Flaschen A und B. Vielleicht hätte ich sie Willis mitgeben sollen, damit er sie an den Laboraffen ausprobierte; aber wenn ich ihn ins Vertrauen zog, würde er sie mir womöglich nie wieder zurückschicken.
    »Warum nimmst du nicht dein Meßband, läßt dir ein paar hübsche Ideen für Vorhänge und Teppiche einfallen und fragst Bill und Diana in Irland, was sie dazu sagen?«
    Das war nicht ironisch gemeint. Sie konnte an Magnus' Einrichtung und seinem Junggesellenstil ändern, was sie wollte, soweit sie sich in vernünftigen Grenzen hielt. Zimmer neu einrichten war ihre Lieblingsbeschäftigung, in die sie sich stundenlang vertiefen konnte.
    Mein Friedensangebot scheiterte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie sagte: »Du weißt, ich würde überall hinziehen, wenn ich nur wüßte, daß du mich noch liebst.«
    Ärgerliche Äußerungen kann ich jederzeit ertragen und mit bestem Gewissen Schlag für Schlag zurückgeben. Aber nicht Kummer und Tränen. Ich öffnete die Arme, und sie kam sogleich, klammerte sich an mich und suchte Trost wie ein verletztes Kind.
    »Du hast dich in den letzten Wochen sehr verändert«, sagte sie. »Ich erkenne dich kaum noch.«
    »Ich habe mich nicht verändert«, sagte ich, »ich liebe dich. Natürlich liebe ich dich.«
    Die Wahrheit zu gestehen, nicht nur sich selbst, sondern auch anderen, ist ungeheuer schwer. Ich liebte Vita wegen der gemeinsam verbrachten Monate und Jahre, wegen des Auf und Ab im Eheleben, das eintönig, aufreibend, aber auch wunderbar und unentbehrlich sein kann. Ich hatte gelernt, mich mit ihren Fehlern abzufinden – und sie sich mit meinen. Oft waren die Beleidigungen, die wir uns im Streit entgegenschleuderten, nicht ernst gemeint. Oft ließen wir die zärtlichen Worte ungesagt, da wir uns schon zu sehr aneinander gewöhnt hatten. Das Schlimme aber war, daß irgendein Kern nie angetastet wurde, er hatte bis heute geschlummert und wartete darauf, erschlossen zu werden. Die Geheimnisse meiner gefährlichen neuen Welt konnte

Weitere Kostenlose Bücher