Ein Tropfen Zeit
beeinflußt haben.«
»Darum …«
»Darum goß ich die Tropfen in dein Trinkfläschchen – verzeih, daß ich so tue, als sei ich hier zu Hause –, fuhr ins Dorf und leerte es in der Vorhalle der Kirche.«
Sein vergnügtes Schnaufen ärgerte mich noch mehr.
»Was ist los?« fragte ich. »Du willst doch wohl nicht sagen, daß du dasselbe getan hast?«
»Genau das, aber nicht in der Vorhalle, sondern auf dem Friedhof, nach Einbruch der Dunkelheit. Aber was hast du nun gesehen?«
Ich erzählte ihm alles, auch von meiner Begegnung mit dem Pfarrer, dem Besuch in der Bibliothek und dem Ausbleiben oder zumindest vermeintlichen Ausbleiben von unangenehmen Nebenwirkungen. Er hörte sich meinen Roman an, ohne mich zu unterbrechen, wie am Tag zuvor, und als ich geendet hatte, bat er mich, am Apparat zu bleiben, er wollte sich einen Drink einschenken; zugleich mahnte er mich, es ihm nicht gleichzutun. Der Gedanke an seinen Gin-Tonic ließ meinen Ärger beträchtlich anwachsen.
»Ich habe den Eindruck, daß du alles gut überstanden hast«, sagte er, »und du scheinst der Creme der ganzen Grafschaft begegnet zu sein. Das ist mir bisher nicht gelungen, weder in unserer Zeit noch in jener.«
»Du meinst, du hast nicht das gleiche Erlebnis gehabt?«
»Ganz im Gegenteil. Mir waren weder Ordenskapitel noch Dorfplatz beschert. Ich landete im Schlafsaal der Mönche, und das war eine ganz andere Geschichte.«
»Was passierte denn?« fragte ich.
»Genau das, was man vermutet, wenn ein Haufen mittelalterlicher Franzosen zusammenkommt. Gebrauch nur deine Phantasie.«
Jetzt mußte ich lachen. Die Vorstellung, daß mein empfindlicher Magnus bei jener lockeren Gesellschaft den Voyeur spielte, versetzte mich wieder in gute Laune.
»Weißt du, was ich glaube?« sagte ich. »Ich glaube, wir haben gefunden, was wir verdienen. Ich Seine Gnaden den Bischof und die Grafschaftsvertreter, die in mir längst vergessenen snobistischen Ehrgeiz wachriefen, und du die Vertreter sexueller Praktiken, die du dir dreißig Jahre lang versagt hast?«
»Woher weißt du, daß ich sie mir versagt habe?«
»Ich weiß es offen gestanden nicht. Um so mehr rechne ich dir dein gutes Betragen an.«
»Danke für das Kompliment. Das heißt also, nichts von all dem kann einer telepathischen Verbindung zwischen uns zugeschrieben werden. Stimmt's?«
»Stimmt.«
»Demnach sahen wir das, was wir sahen, über ein anderes Medium, nämlich den Reiter Roger. Er war mit dir zusammen im Ordenskapitel und auf dem Dorfplatz und mit mir im Schlafsaal. Das ist das Hirn, das uns die Informationen zuleitet.«
»Ja, aber warum?«
»Warum? Du glaubst doch wohl nicht, daß wir das schon nach so wenigen Trips herausfinden? Du hast noch viel zu tun.«
»Das ist ja alles ganz schön und gut, aber auch ein bißchen langweilig, daß ich diesen Burschen bei jedem Experiment beschatten muß oder er mich. Ich finde ihn nicht so sympathisch. Auch die Gutsherrin mag ich nicht.«
»Die Gutsherrin?« Er schwieg einen Augenblick, offenbar, um nachzudenken. »Das ist wahrscheinlich die Person, die ich auf meinem dritten Trip sah. Kastanienbraunes Haar, braune Augen, eine ziemlich lose Person?«
»Das klingt ganz nach ihr, Joanna Champernoune«, sagte ich.
Wir lachten beide, da uns der Wahnsinn dieser Unterhaltung bewußt wurde; wir sprachen über jemand, der schon vor Jahrhunderten gestorben war, als hätten wir diese Person eben auf einer Party getroffen.
»Sie verhandelte über irgendeinen Landbesitz«, sagte er. »Ich kam nicht ganz mit. Hast du übrigens bemerkt, wie man den Sinn eines Gespräches erfaßt, ohne es bewußt aus dem mittelalterlichen Französisch zu übersetzen, das die Menschen offensichtlich sprechen? Das ist wieder die Verbindung zwischen Rogers Hirn und unserm. Wenn wir diese Gespräche in Altenglisch, normannischem Französisch oder Kornisch gedruckt vor uns sähen, würden wir nicht ein Wort verstehen.«
»Du hast recht«, sagte ich, »das ist mir nicht einmal aufgefallen. Magnus …«
»Ja?«
»Ich bin immer noch ein bißchen besorgt über die Nebenwirkungen. Heute habe ich zum Glück weder Übelkeit noch Schwindel empfunden, sondern im Gegenteil eine ungeheure Hochstimmung, und auf der Rückfahrt muß ich die Geschwindigkeitsgrenze mehrmals überschritten haben.«
Er erwiderte nicht sofort, und dann klang seine Antwort vorsichtig: »Das ist eines der Dinge«, sagte er, »einer der Gründe, warum ich dich bat, die Droge auszuprobieren. Sie könnte
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