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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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alten Trottel, die Jungen erwachsen und verheiratet und Vita tot. Der Gedanke war bestürzend. Lieber wollte ich mich mit den Champernounes und Isolda befassen. Auch hier keine telepathische Verbindung: Magnus hatte sie nicht erwähnt, der Pfarrer jedoch hatte von ihnen gesprochen, und zwar erst, nachdem ich sie bereits als lebendige Personen gesehen hatte.
    Jetzt wußte ich, was ich zu tun hatte: Ich wollte nach St. Austell fahren und nachsehen, ob ich in der Bibliothek ein Buch finden konnte, das die Identität dieser Personen bewies.
    Die Bibliothek lag hoch über der Stadt; ich parkte den Wagen und ging hinein. Das Mädchen am Schreibtisch war mir behilflich. Sie riet mir, nach oben in die Nachschlagbibliothek zu gehen und in einem Buch, das Die Visitationen in Cornwall hieß, nach den Stammbäumen zu suchen.
    Ich nahm den dicken Band vom Regal und setzte mich an einen Tisch. Der erste Blick auf die alphabetische Namensliste war enttäuschend. Keine Bodrugans, keine Champernounes, Carminowes und Cardinhams. Ich kehrte wieder zum Anfang zurück und stellte dann mit wachsendem Interesse fest, daß ich zuerst wohl die Seiten überschlagen hatte, denn jetzt fand ich die Carminowes von Carminowe. Ich überflog die erste Seite; da war Sir John, dessen Frau übrigens auch Joanna hieß – der Schreiber hatte die Namensgleichheit zwischen Frau und Mätresse gewiß als verwirrend empfunden. Sir John hatte einen Haufen Kinder, und einer seiner Enkel, Miles, hatte Boconnoc geerbt. Boconnoc … Bockenod … eine leicht veränderte Schreibweise, aber es mußte sich einfach um ›meinen‹ Sir John handeln.
    Auf der nächsten Seite fand ich seinen älteren Bruder Sir Oliver Carminowe. Von seiner ersten Frau hatte er mehrere Kinder gehabt. Ich überflog ein paar Zeilen und entdeckte als seine zweite Frau Isould, Tochter eines gewissen Reynold Ferrers von Bere in Devon, und ganz unten auf der Seite ihre Töchter, Joanna und Margaret. Da hatte ich sie – nicht Isolda Cardinham, die Erbin aus Devon, von der der Pfarrer sprach, sondern eine ihrer Nachkommen.
    Ich schob den schweren Wälzer zur Seite und stellte fest, daß ich einfältig in das Gesicht eines bebrillten Mannes hineinlächelte, der den Daily Telegraph las. Er starrte mich mißtrauisch an, dann verbarg er sein Gesicht hinter der Zeitung. Mein ›Mädchen ohnegleichen‹ war also kein Phantasiegebilde. Isolda hatte gelebt, obgleich man nicht verzeichnet hatte, wann sie geboren und gestorben war.
    Ich stellte das Buch auf das Regal zurück und ging hinaus; die Entdeckung hatte meine Hochstimmung noch gesteigert. Carminowes, Champernounes, Bodrugans, alle waren seit sechshundert Jahren tot, aber in der Welt meiner anderen Zeit lebten sie alle noch.
    Ich verließ St. Austell und dachte befriedigt, daß ich an diesem Nachmittag viel geschafft hatte. Ich war Zeuge einer Zeremonie in einer längst verfallenen Priorei und zugleich eines Martinsfestes auf dem Dorfplatz gewesen. Und das alles mit Hilfe eines von Magnus gemischten Zaubertrankes, der keine Neben- oder Nachwirkungen hervorrief, nur ein besonderes Wohlgefühl. Alles war so leicht wie ein Sturz von einer Klippe. Ich ging kaltblütig auf hundert Kilometer hoch und sauste den Polmear Hill hinauf, und erst, als ich den Wagen abgestellt hatte und ins Haus gegangen war, fiel mir der Vergleich wieder ein. Sturz von einer Klippe … War dies etwa die Nebenwirkung? Diese Heiterkeit und diese Unbekümmertheit? Gestern die Übelkeit, der Schwindel, weil ich die Anweisungen nicht befolgt hatte. Heute war ich mühelos von einer Welt in die andere hinübergewechselt und wurde übermütig.
    Ich ging in die Bibliothek und wählte Magnus' Nummer. Er meldete sich sofort.
    »Wie war's?« fragte er.
    »Wie war was? Es hat den ganzen Tag geregnet.«
    »In London haben wir schönes Wetter«, entgegnete er. »Aber lassen wir das Wetter. Wie war der zweite Trip?«
    Seine Gewißheit, daß ich das Experiment wiederholt hatte, reizte mich. »Woraus schließt du, daß ich noch einen Trip gemacht habe?«
    »Das tut man immer.«
    »Nun, du hast zufällig recht. Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, aber ich wollte etwas beweisen.«
    »Was wolltest du denn beweisen?«
    »Daß das Experiment nichts mit einer telepathischen Verbindung zwischen uns zu tun hatte.«
    »Das hätte ich dir auch vorher sagen können«, antwortete er.
    »Vielleicht. Aber wir hatten beide zuerst in Blaubarts Zimmer experimentiert, und das konnte mich ja unbewußt

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