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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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Morgen lag auf meinem Frühstückstablett ein Luftpostbrief von Vita, geschrieben im Haus ihres Bruders in Long Island. Sie berichtete, die Hitze sei schrecklich, sie verbrächten den ganzen Tag im Schwimmbecken, und Joe wolle mit seiner Familie auf der Jacht, die er Mitte der Woche gemietet hatte, nach Newport fahren. Wie schade, daß wir nicht eher von seinen Plänen gewußt hätten, sonst hätte ich die Jungen herüberbringen können, und man hätte die Sommerferien gemeinsam verbracht. Aber nun sei es ja zu spät. Sie hoffe nur, daß es uns im Haus des Professors gefallen werde, und wie es denn eigentlich sei? Was sie aus London mitbringen sollte? Sie wolle am Mittwoch von New York abfliegen und hoffe, einen Brief von mir in der Londoner Wohnung vorzufinden.
    Heute war bereits Mittwoch. Sie mußte um zehn Uhr abends am Londoner Flughafen ankommen, und sie würde keinen Brief vorfinden, weil ich sie nicht vor dem Wochenende erwartet hatte.
    Der Gedanke, daß Vita in wenigen Stunden in England sein würde, traf mich wie ein Schock. Die Tage, die ich ganz für mich zu haben glaubte und nach meinem Belieben zu gestalten hoffte, würden durch Telefonanrufe, Bitten, Fragen, das ganze Drum und Dran des Familienlebens gestört werden. Irgendwie mußte ich, bevor der erste Anruf kam, einen Aufschub ermöglichen und einen Plan parat haben, mit dem ich sie und die Jungen wenigstens noch ein paar Tage in London zurückhalten konnte.
    Magnus hatte eine defekte Kanalisation vorgeschlagen. Das mochte wohl hingehen, aber die Schwierigkeit war die, daß Vita, wenn sie schließlich ankam, natürlich Mrs. Collins fragen und daß Mrs. Collins sie nur verblüfft anstarren würde. Die Zimmer nicht fertig? Das würde ein schlechtes Licht auf Mrs. Collins werfen und die künftige Beziehung zwischen den beiden Frauen gefährden. Ein Versagen der Elektrizität? Die hatte ebenso wenig versagt wie die Kanalisation. Auch konnte ich nicht behaupten, krank zu sein, denn dann würde Vita sofort herkommen, mich in Decken einwickeln und ins Krankenhaus nach London abtransportieren, denn sie mißtraute jeder ärztlichen Behandlung, die nicht von ersten Kapazitäten durchgeführt wurde. Nun, ich mußte mir etwas überlegen, und sei es nur wegen Magnus. Ich durfte ihn nicht im Stich lassen und das Experiment nach zwei Versuchen abrupt abbrechen.
    Heute war Mittwoch. Also, heute ein Experiment, am Donnerstag Pause, ein weiteres Experiment am Freitag, Samstag Pause und wieder ein Versuch am Sonntag, und wenn Vita eisern darauf beharrte, am Montag kommen zu wollen, dann sollte sie es eben tun. Dieser Plan gestattete mir noch drei Trips, und wenn alles gutging und ich die richtige Zeit wählte und keine Dummheiten machte, so würden auch keine Nebenwirkungen eintreten wie gestern, abgesehen von der unnatürlichen Hochstimmung, die ich sofort bemerken und als Warnung auffassen konnte. Im Moment war meine Stimmung allerdings ziemlich schlecht – Vitas Brief war wohl die Ursache für eine gewisse Mutlosigkeit, die mich überfallen hatte.
    Nach dem Frühstück teilte ich Mrs. Collins mit, daß meine Frau heute in London ankommen und wahrscheinlich nächste Woche mit ihren beiden Söhnen eintreffen würde, am Montag oder Dienstag. Sie stellte sofort eine Liste für Lebensmittel und andere Dinge auf, die wir brauchten. So bot sich mir die Gelegenheit, ins Dorf zu fahren, um alles zu besorgen, und währenddessen konnte ich einen Brief an Vita entwerfen, den sie am nächsten Morgen erhalten würde.
    Die erste Person, die ich beim Kaufmann antraf, war der Pfarrer von St. Andreas, der auf mich zukam und mich begrüßte. Jetzt erst stellte ich mich vor – Richard Young – und erzählte ihm, daß ich seinem Rat gefolgt und zur Bibliothek der Grafschaft in St. Austell gefahren war.
    »Ich bewundere Ihre Begeisterung«, sagte er lächelnd. »Haben Sie gefunden, was Sie suchten?«
    »Zum Teil«, antwortete ich. »Die Erbin Isolda Cardinham konnte ich im Stammbaum nicht entdecken, aber ich fand eine Nachfahrin, Isolda Carminowe, deren Vater ein gewisser Reynold Ferrers aus Bere in Devon war.«
    »Reynold Ferrers? Der Name kommt mir bekannt vor«, meinte er. »Wenn ich mich richtig entsinne, war es der Sohn von Sir William Ferrers, der die Erbin heiratete. Demnach würde Ihre Isolda deren Enkelin sein. Ich weiß, daß die Erbin den Gutshof Tywardreath im Jahre 1269 an einen der Champernounes verkaufte, kurz bevor sie für 1.000 Dukaten mit William Ferrers

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