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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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zu einer Sucht führen.«
    »Zu einer Sucht? Wie meinst du das?«
    »Genau, wie ich es sagte. Nicht allein die Faszination, die vom Experiment selbst ausgeht, von dem wir wissen, daß niemand außer uns es bisher ausgeführt hat, sondern auch die Stimulierung des betroffenen Hirnteils. Ich habe dich schon vorher auf die möglichen physischen Gefahren hingewiesen, daß man überfahren werden könnte oder sowas. Du merkst doch sicher, daß dieser Teil des Gehirns ausgeschlossen ist, wenn du unter dem Einfluß der Droge stehst. Der funktionale Teil steuert immer noch deine Bewegungen, so wie man mit hohem Alkoholgehalt im Blut fahren kann, ohne einen Unfall zu bauen. Aber die Gefahr ist stets gegenwärtig, und im Gehirn ist anscheinend der Warmmechanismus ausgefallen. All das möchte ich genau herausfinden.«
    »Ja«, sagte ich, »ja, ich verstehe.« Ich war ziemlich ernüchtert. Die Heiterkeit, die ich auf der Heimfahrt empfunden hatte, war gewiß nicht natürlich gewesen. »Ich mache lieber eine Pause und warte, bis alle Umstände geklärt sind.«
    Er schwieg wieder, bevor er antwortete. »Das liegt bei dir«, sagte er dann. »Das mußt du selbst entscheiden. Noch Fragen? Ich esse heute auswärts.«
    Noch Fragen … ein Dutzend, zwanzig. Aber die wollte ich mir alle überlegen, wenn er aufgelegt hatte. »Ja«, sagte ich. »Wußtest du, bevor du deinen ersten Trip machtest, daß Roger einst hier im Hause gewohnt hatte?«
    »Keineswegs. Mutter sprach oft von den Bakers im siebzehnten Jahrhundert und den Rashleighs, die nach ihnen kamen. Aber von ihren Vorgängern wußten wir nichts, obwohl mein Vater eine vage Vorstellung hatte, daß die Fundamente aus dem vierzehnten Jahrhundert stammten. Ich weiß nicht, von wem er das gehört hatte.«
    »Hast du deswegen aus der alten Waschküche das Blaubartzimmer gemacht?«
    »Nein. Es schien nur der günstigste Ort zu sein, und der Lehmofen gefällt mir. Wenn man das Feuer anzündet, hält er die Hitze, und ich kann in ihm Flüssigkeiten bei hoher Temperatur aufbewahren, während ich gleichzeitig an etwas anderem arbeite. Großartige Atmosphäre. Nichts Düsteres daran. Gib bloß den Gedanken auf, daß dieses Experiment eine Art Geisterjagd ist, mein Junge. Wir beschwören keine Geister!«
    »Nein, das ist mir schon klar«, sagte ich.
    »Um es ganz einfach zu sagen: Wenn du im Sessel sitzt und einen alten Film im Fernsehapparat siehst, so tauchen die Gestalten nicht aus der Leinwand auf, um dich zu verfolgen, obwohl viele Schauspieler bereits tot sind. Das ist gar nicht so viel anders als das, was du heute nachmittag erlebt hast. Unser Führer Roger und seine Freunde haben einmal gelebt, aber heute sind sie wahrhaftig und endgültig gebannt.«
    Ich wußte, was er meinte, aber so einfach war das nicht. Die eigentlichen Zusammenhänge lagen tiefer, und die Wirkung war stärker. Das erregende Gefühl bestand nicht so sehr darin, jene Welt zu sehen, als an ihr teilzunehmen.
    »Ich wünschte, wir wüßten mehr über unseren Führer«, sagte ich. »Über die anderen kann ich in der Bibliothek von St. Austeil nachschlagen. Die Carminowes habe ich schon gefunden, wie ich dir sagte – John, seinen Bruder Oliver und Olivers Frau Isolda –, aber ein Verwalter namens Roger ist doch ein bißchen zu entlegen, der wird kaum in irgendeinem Stammbaum vorkommen.«
    »Wahrscheinlich nicht, aber man kann nie wissen. Einer meiner Studenten hat einen Freund, der im Staatsarchiv und im British Museum arbeitet, und so habe ich Zugang zu den Sachen. Ich habe ihm nicht gesagt, warum es mich interessiert, sondern nur, daß ich gerne eine Liste der Steuerzahler aus der Gemeinde Tywardreath im vierzehnten Jahrhundert hätte. Die müßte er, vermute ich, in der Steuerliste für Laien aus dem Jahre 1327 finden, und das ist ziemlich nahe an der Periode, mit der wir uns beschäftigen. Wenn ich etwas erfahre, teile ich es dir mit. Hast du von Vita gehört?«
    »Nein.«
    »Schade, daß ihr nicht vereinbart habt, daß du die Jungen zu ihr nach New York bringst«, sagte er.
    »Das wäre verdammt teuer. Außerdem hätte das bedeutet, daß ich auch dort bleiben müßte.«
    »Nun, halte sie alle in Schach, solange du kannst. Sage ihnen, mit der Kanalisation sei etwas nicht in Ordnung, das wird sie einschüchtern.«
    »Vita läßt sich durch nichts einschüchtern«, sagte ich. »Sie würde einen Klempnermeister von der amerikanischen Botschaft mitbringen.«
    »Dann beeil dich, bevor sie kommt. Und da ich gerade

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