Ein Tropfen Zeit
schön vernachlässigt. Außerdem, und dies ist die eigentliche Schwierigkeit, hat Magnus mich gebeten, seine Papiere durchzusehen – er hat einen Haufen wissenschaftlicher Arbeiten in seinem Labor, die man nicht anrühren darf –, und all das soll aufgeräumt und in Sicherheit gebracht werden. Er bat mich, es als persönliche Gefälligkeit für ihn zu tun, und ich kann es ihm schlecht abschlagen, denn schließlich brauchen wir für das Haus keine Miete zu zahlen – es ist also eine Art Gegenleistung. Montag müßte ich es geschafft haben, aber die nächsten paar Tage und das Wochenende muß ich noch frei haben, um fertig zu werden. Nebenbei gesagt war das Wetter scheußlich. Es hat gestern den ganzen Tag geregnet. Dir entgeht also nichts; in der Lokalzeitung heißt es, die nächste Woche soll besser werden.
Um das Essen brauchst Du Dich nicht zu kümmern; Mrs. Collins sorgt für alles, und sie ist eine ausgezeichnete Köchin. Nun, ich glaube, Du kannst die Jungen noch bis Montag beschäftigen; es gibt sicher Museen und andere Dinge, die sie noch nicht kennen, und außerdem möchtest Du doch Bekannte wiedersehen. Darum schlage ich vor, Liebling, daß wir erst für nächste Woche planen; dann dürften alle Schwierigkeiten behoben sein.
Ich freue mich, daß Du eine so nette Zeit mit Joe und Familie verbracht hast. Ja, rückblickend denke ich auch, es wäre eine gute Idee gewesen, wenn ich die Jungen nach New York hinübergebracht hätte, aber nachher ist man ja immer klüger. Ich hoffe, Du bist nach dem Flug nicht zu müde, Liebling. Ruf mich an, wenn Du dies erhältst. Dein Dich liebender Dick.«
Ich las den Brief zweimal durch. Beim zweiten Mal schien er mir schon besser: Er klang echt. Schließlich stimmte es, daß ich für Magnus Dinge ordnen mußte. Wenn ich lüge, fundiere ich die Lüge gern auf Tatsachen, denn das beruhigt nicht allein das Gewissen, sondern das Gerechtigkeitsgefühl. Ich klebte Briefmarken auf den Umschlag und steckte ihn in die Tasche; dann fiel mir ein, daß Magnus mich gebeten hatte, ihm die Flasche B aus dem Labor nach London zu schicken. Ich wühlte herum, fand einen kleinen Karton, Papier und eine Schnur und ging ins Labor. Ich verglich Flasche A mit Flasche B, bemerkte aber keinen Unterschied zwischen beiden. Die kleine Flasche von gestern trug ich immer noch in meiner Jackentasche, und nichts war einfacher, als eine zweite Dosis aus der Flasche A hineinzufüllen. Ich würde dann selbst entscheiden, ob und wann ich sie einnehmen wollte.
Dann schloß ich das Labor ab, ging hinauf und blickte durch das Fenster der Bibliothek nach dem Wetter. Es regnete nicht, und draußen über dem Meer klärte sich der Himmel auf. Ich verpackte die Flasche sorgfältig und fuhr nach Par, um sie per Einschreiben abzusenden, und steckte den Brief an Vita in den Kasten. Dann fuhr ich nach Tywardreath und folgte der Abzweigung nach Treesmill.
Die schmale Straße senkte sich zwischen den Feldern steil ins Tal hinab, und vor der letzten Senkung bog sie scharf über eine holprige Brücke, unter der die Haupteisenbahnlinie zwischen Par und Plymouth verlief. Ich bremste nahe der Brücke und hörte die Dampfpfeife des Eilzugs, der gerade aus dem Tunnel zu meiner Rechten auftauchte. Als er außer Sichtweite und das Geratter verklungen war, trat wieder Stille ein, und nichts regte sich im Tal.
Ich ließ den Wagen langsam bis zum Ende der Straße hinunterrollen, bevor diese wieder anstieg. Ein träger Fluß, von einer niedrigen Brücke überspannt, wälzte sich durch die Wiese, auf der Kühe grasten; an der rechten Straßenseite standen alte Bauernhäuser. Ich drehte das Wagenfenster herunter und blickte mich um. Ein Hund kam von einem Hof hergelaufen und bellte; hinter ihm schritt ein Mann, der einen Eimer trug. Ich lehnte mich aus dem Fenster und fragte ihn, ob dies der Platz sei, an dem früher eine Mühle gestanden habe.
»Ja«, sagte er, »wenn Sie geradeaus weiterfahren, kommen Sie an die Hauptstraße nach St. Blatey.«
»Eigentlich suchte ich Überreste der Mühle«, sagte ich.
»Von der ist nichts mehr da«, erklärte er. »Dieses Gebäude hier war einmal das alte Mühlhaus, und was von dem Fluß noch übrig ist, sehen Sie dort. Der Hauptstrom wurde vor vielen Jahren umgelenkt, noch vor meiner Zeit. Es heißt, bevor sie diese Brücke bauten, habe es hier eine Furt gegeben. Der Strom lief direkt über die Straße, und der größte Teil des Tales stand unter Wasser, vor allem bei Flut.«
»Ja«,
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