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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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fiel mir ein, daß sie auch von innen verriegelt war, denn ich war durch den Hof hinausgegangen.
    »Wartet hier, ich mache auf«, sagte ich und ging zum Innenhof, die Jungen hinter mir. Die Tür des Heizungsraums stand weit offen – demnach war ich hier herausgekommen, als ich Roger und den anderen Verschwörern folgte. Ich mahnte mich immer wieder, Ruhe zu bewahren und einen klaren Kopf zu behalten; wenn meine Gedanken sich jetzt verirrten, wäre das verhängnisvoll.
    »Ein komischer alter Platz. Wofür ist der?« fragte Micky.
    »Um dazusitzen und sich zu sonnen, wenn die Sonne scheint«, sagte ich.
    »Wenn ich Professor Lane wäre, würde ich hier ein Schwimmbecken anlegen«, meinte Teddy. Sie drängten sich hinter mir ins Haus und durch die alte Küche zur Hintertür. Ich schloß auf; Vita stand ungeduldig wartend draußen.
    »Komm aus dem Regen. Ich hole mit den Jungen die Koffer herein«, sagte ich.
    »Zeig uns erst mal das Haus«, erwiderte sie kläglich. »Das Gepäck kann warten. Ich möchte alles sehen. Du willst doch wohl nicht sagen, das da sei die Küche.«
    »Natürlich nicht. Es ist eine alte Küche im Kellergeschoß. Wir benutzen diese Räume nicht.«
    Die Sache war die: Ich hatte nie die Absicht gehabt, ihnen das Haus von hier aus vorzuführen. Wir hatten am falschen Ende angefangen. Wenn sie Montag angekommen wären, hätte ich sie auf der Treppe vor der Veranda erwartet, die Vorhänge zurückgezogen, die Fenster geöffnet, alles bestens vorbereitet. Die Jungen rasten schon aufgeregt die Treppe hinauf. »Wo ist unser Zimmer?« schrien sie. »Wo sollen wir schlafen?«
    O Gott, dachte ich, gib mir Geduld. Vita beobachtete mich lächelnd.
    »Es tut mir leid, Liebling«, sagte ich, »aber glaub mir …«
    »Glaub mir was?« sagte sie. »Ich bin genauso aufgeregt wie die beiden. Warum stellst du dich so an?«
    Warum wohl? Ich dachte völlig unlogisch, wieviel besser alles organisiert wäre, wenn Roger Kylmerth als Verwalter Isolda Carminowe die Einrichtung eines Gutshauses gezeigt hätte.
    »Schon gut«, sagte ich. »Kommt weiter …«
    Das erste, was Vita bemerkte, als wir die moderne Küche im Erdgeschoß betraten, waren die Überreste meiner Mahlzeit von gebratenen Spiegeleiern und Würstchen auf dem Tisch; die ungesäuberte Pfanne stand auf einer Tischdecke, und das elektrische Licht brannte.
    »Nanu«, rief sie aus, »hast du dir ein warmes Frühstück gemacht, bevor du fortgingst? Das ist neu!«
    »Ich hatte Hunger«, sagte ich. »Laß dich durch die Unordnung nicht stören. Mrs. Collins wird alles wegräumen. Und jetzt gehen wir weiter.«
    Ich eilte an ihr vorbei ins Musikzimmer, zog die Vorhänge auf, schlug die Läden zurück und ging durch den Flur zu dem kleinen Eßzimmer und zur Bibliothek. Mein Lieblingsfenster war durch Regenschleier verhangen.
    »An einem schönen Tag sieht es ganz anders aus«, sagte ich.
    »Es ist wunderhübsch«, sagte Vita. »Ich hätte nicht gedacht, daß dein Professor einen so guten Geschmack hat. Noch besser wär's, wenn das Sofa an der Wand stünde und die Kissen auf der Fensterbank lägen, aber das läßt sich leicht machen.«
    »So, das war das Erdgeschoß«, sagte ich. »Kommt nach oben.«
    Ich kam mir vor wie ein Makler, der eine besonders schwierige Wohnung an den Mann zu bringen versucht. Die Jungen rasten die Treppe hinauf und liefen dann durch sämtliche Zimmer. Vita und ich folgten ihnen. Schon hatte sich alles verändert; fort waren Stille und Frieden – fort wie Roger Kylmerth, dessen seit sechshundert Jahren abgelaufenes Leben ich für kurze Zeit geteilt hatte.
    Nachdem wir die Runde durch den ersten Stock beendet hatten, begann die schwere Arbeit des Kofferauspackens, und es wurde fast halb neun, bis wir fertig waren und Mrs. Collins mit dem Fahrrad kam, um die Lage wieder ins reine zu bringen. Sie begrüßte Vita und die Jungen mit aufrichtiger Freude, und alle verschwanden in der Küche. Ich ging hinauf, ließ das Badewasser einlaufen und wünschte, auf der Stelle ertrinken zu können.
    Eine halbe Stunde später kam Vita ins Schlafzimmer. »Wir können Gott für sie danken«, sagte sie. »Sie ist außerordentlich tüchtig. Und sie ist mindestens sechzig. Ich kann also beruhigt sein.«
    »Beruhigt? Wie meinst du das?« rief ich aus der Wanne.
    »Ich hatte mir eine junge und leichtfertige Person vorgestellt, als du mich davon abhalten wolltest, herzufahren«, sagte sie. Sie kam ins Badezimmer, während ich mich abtrocknete. »Deinem Professor

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