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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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traue ich nicht über den Weg; aber zumindest in dieser Hinsicht bin ich zufrieden. Jetzt, da du so schön sauber bist, kannst du mir einen Kuß geben, und laß mir auch ein Bad einlaufen. Ich bin sieben Stunden lang gefahren und so müde, daß mir die ganze Welt gestohlen bleiben kann.«
    Mir ging es genauso. Ihre Welt konnte mir gestohlen bleiben. Ich sah zwar zu, wie sie sich auszog und ihre Sachen auf das Bett warf, einen Morgenrock herausholte, ihre Gesichtswasser und Cremes auf dem Ankleidetisch ausbreitete, ich hörte, wie sie dabei unaufhörlich plauderte, über die Fahrt hierher, den Tag in London, irgendwelche Ereignisse in New York, die geschäftlichen Angelegenheiten ihres Bruders, über ein Dutzend Dinge, die ihr Leben ausmachten – unser Leben, aber nichts von alledem interessierte mich. Es war, als hörte ich Hintergrundmusik im Radio. Ich wollte die letzte Nacht und die Dunkelheit wiederfinden, den Wind, der ins Tal hinabwehte, das Rauschen des Meeres, das sich am Ufer unterhalb des Polpey-Hofes brach, und den Ausdruck in Isoldas Augen, als sie in ihrem Wagen saß und Bodrugan ansah.
    »… Und wenn sie eine Fusion vornehmen, so wird das sowieso nicht vor dem Herbst geschehen, und es würde deine Arbeit nicht beeinträchtigen.«
    »Nein.«
    Meine Antworten kamen automatisch, je nachdem, ob ihre Stimme sich hob oder senkte, und plötzlich fuhr sie herum, das Gesicht hinter einer Crememaske verborgen, darüber der Turban, den sie immer beim Baden trug, und sagte: »Du hörst mir wohl überhaupt nicht zu?«
    Ich fuhr zusammen: »Doch, ich habe zugehört.«
    »Was hast du gehört? Worüber habe ich denn gesprochen?« fragte sie herausfordernd.
    Ich räumte meine Sachen aus dem Schlafzimmerschrank, um für ihre Kleider Platz zu machen. »Du hast irgend etwas über Joes Firma gesagt«, antwortete ich, »über eine Fusion. Tut mir leid, Liebling, gleich geh ich dir aus dem Weg.«
    Sie riß mir den Bügel mit meinem besten Flanellanzug aus der Hand und schleuderte ihn zu Boden.
    »Ich will ja gar nicht, daß du mir aus dem Wege gehst«, rief sie mit der schrillen Stimme, die ich so fürchtete. »Ich will, daß du dableibst und mir richtig zuhörst, anstatt herumzustehen wie ein Ölgötze. Was zum Teufel ist mit dir los? Es ist, als wärst du in einer anderen Welt.«
    Sie hatte recht. Ich wußte, daß es keinen Zweck hatte, zum Gegenangriff überzugehen; ich mußte klein beigeben und die Wogen ihres berechtigten Ärgers über mich hinrollen lassen.
    Ich setzte mich auf das Bett und zog sie neben mich. »Liebling, wir wollen den Tag nicht so beginnen. Du bist müde, ich bin müde; wenn wir uns streiten, sind wir nachher nur erledigt und verderben den Jungen die ganze Freude. Wenn ich unaufmerksam und zerstreut bin, mußt du es der Erschöpfung zuschreiben. Ich bin im Regen spazierengegangen, weil ich nicht schlafen konnte, und das hat mich anscheinend nicht aufgemuntert, sondern nur noch müder gemacht.«
    »Es war ja auch das Dümmste, was du tun konntest … Du hättest wissen müssen … Und außerdem, wieso konntest du eigentlich nicht schlafen?«
    »Laß das jetzt, bitte, laß das!«
    Ich stand auf, nahm einen Arm voll Sachen, trug sie ins Ankleidezimmer und stieß hinter mir mit dem Fuß die Tür zu. Sie kam mir nicht nach. Ich hörte, wie sie die Wasserhähne zudrehte und ins Bad stieg, so daß das Wasser überschwappte und ins Überlaufrohr floß.
    Der Morgen verging. Vita erschien nicht. Kurz vor eins öffnete ich leise die Schlafzimmertür; sie lag fest schlafend auf dem Bett. Ich schloß die Tür und aß allein mit den Jungen. Sie schwatzten drauflos, es genügte ihnen, wenn ich nur dann und wann ein »Ja« oder »Vielleicht« von mir gab, und sie waren anspruchslos wie immer, wenn Vita nicht da war. Da es unaufhörlich regnete und an ein Kricketspiel oder Baden gar nicht zu denken war, fuhr ich sie nach Fowey und ließ sie Eis, Pfefferminzbonbons, Westernhefte und Puzzlespiele kaufen.
    Um vier Uhr ließ der Regen allmählich nach; es erschien ein glanzloser Himmel und eine blasse, verschleierte Sonne, aber das war genug für die Jungen. Sie stürzten an den Kai und wollten aufs Wasser hinaus. Ich war zu allem bereit, um ihnen Freude zu machen und den Augenblick der Rückkehr hinauszuschieben. Also mietete ich ein kleines Boot mit Außenbordmotor, und wir fuhren knatternd im Hafen herum. Die Jungen griffen nach vorbeitreibenden Gegenständen, während wir vorwärtsschossen, und wir wurden alle

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