Ein Tropfen Zeit
drei bis auf die Haut naß.
Gegen sechs kamen wir zu Hause an; die Kinder stürmten in die Küche und setzten sich an den Teetisch, den Mrs. Collins vorsorglich für sie gedeckt hatte. Ich wankte in die Bibliothek hinauf, um mir einen steifen Whisky einzuschenken, und begegnete einer lächelnden, neu belebten und völlig gefaßten Vita. Sie hatte alle Möbel umgestellt und die Stimmung von heute morgen zum Glück vergessen.
»Weißt du, Liebling«, sagte sie, »ich glaube, mir wird es hier gefallen. Es sieht jetzt schon fast wie ein richtiges Zuhause aus.«
Ich ließ mich mit dem Glas in der Hand in einen Sessel fallen und beobachtete durch die halbgeschlossenen Lider, wie sie im Zimmer herumschlenderte und Mrs. Collins' wohlgemeintes Hortensienarragement neu ordnete. Von nun an wollte ich mir die Taktik zu eigen machen, alles gutzuheißen, bei Gelegenheit auch mal stumm zu bleiben, je nachdem, wie der Augenblick es erforderte. Ich schlürfte schon ahnungslos meinen zweiten Whisky, als die Jungen in die Bibliothek hineinplatzten.
»He, Dick!« schrie Teddy. »Was ist das für ein schreckliches Ding?«
Er hatte das Glas mit dem Affenembryo in der Hand. Ich sprang auf. »Um Himmels willen!« rief ich, »was zum Teufel habt ihr angestellt?« Ich riß ihm das Glas weg und ging zur Tür. Erst jetzt fiel mir wieder ein, daß ich frühmorgens, nachdem ich die zweite Dosis geschluckt hatte, aus dem Labor gegangen war und den Schlüssel nicht mitgenommen, sondern in der Tür steckengelassen hatte.
»Wir haben nichts getan«, sagte Teddy gekränkt, »wir haben nur die leeren Zimmer im Keller angesehen.« Er wandte sich an Vita. »Da ist ein kleines, dunkles Zimmer voller Flaschen, genau wie das stinkige Labor in der Schule. Komm und sieh, Mama, schnell – da ist noch etwas in einem Glas, es sieht aus wie eine kleine tote Katze …«
Ich schoß wie der Blitz aus der Bibliothek die Treppe hinunter in den Gang, der zum Kellergeschoß führte. Die Tür des Labors stand weit offen, und das Licht brannte. Ich blickte mich rasch um. Außer dem Glas mit dem Affen hatten sie nichts angerührt. Ich schaltete das Licht aus, ging in den Flur, schloß die Tür hinter mir und steckte den Schlüssel in die Tasche. Währenddessen kamen die Jungen durch die alte Küche gelaufen, Vita dicht hinter ihnen. Sie machte ein besorgtes Gesicht.
»Was haben sie getan?« fragte sie. »Haben sie etwas kaputtgemacht?«
»Zum Glück nicht. Es war meine Schuld; ich hatte die Tür nicht abgeschlossen.«
Sie spähte über meine Schulter in den Gang. »Was ist denn darin?« fragte sie. »Was Teddy da heraufbrachte, sah einfach scheußlich aus.«
»Das kann man wohl sagen«, antwortete ich. »Dieses Haus gehört zufällig einem Professor der Biophysik, und er benutzt das kleine Zimmer dahinten als Labor. Wenn ich einen der Jungen noch einmal da unten erwische, werde ich ihn verprügeln!«
Sie schlichen murrend davon, und Vita bemerkte: »Ich muß schon sagen, es ist doch ziemlich merkwürdig, daß der Professor ein solches Labor im Haus hat, ohne sich zu vergewissern, daß es immer ordentlich abgeschlossen ist.«
»Fang bitte nicht schon wieder an«, sagte ich. »Ich bin Magnus dafür verantwortlich, und ich versichere dir, daß es nicht wieder passieren wird. Wenn du erst nächste Woche gekommen wärst, anstatt heute morgen zu nachtschlafender Zeit, als niemand dich erwartete, wäre das nicht passiert.«
Sie starrte mich bestürzt an. »Aber du zitterst ja!« rief sie. »Man könnte wahrhaftig meinen, es sei Sprengstoff in dem Raum.«
»Vielleicht stimmt das auch«, sagte ich. »Nun ja, wir wollen hoffen, daß die Jungen es ein für allemal verstanden haben.«
Ich schaltete das Licht im Souterrain aus und ging hinauf. Ich zitterte tatsächlich, und das war kein Wunder. Alptraumhafte Vorstellungen verfolgten mich. Die Jungen hätten die Flaschen mit den Drogen öffnen, den Inhalt in das Arzneiglas füllen oder auch in den Ausguß schütten können. Sie hätten sogar selbst davon trinken können! Ich durfte den Schlüssel nicht aus den Augen lassen. Vielleicht sollte ich mir einen Zweitschlüssel anfertigen lassen und beide behalten; das wäre sicherer.
Vita war ins Schlafzimmer gegangen. Jetzt hörte ich das verräterische Klicken des Telefons von der Glocke im Gang her. Das hieß, daß sie vom Nebenanschluß im ersten Stock telefonierte. Ich wusch meine Hände und ging in die Bibliothek. Vom Schlafzimmer über mir hörte ich Vita reden. Es
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