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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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war durchaus nicht meine Angewohnheit, Telefongespräche abzuhören, aber jetzt trieb mich ein Instinkt, den Hörer abzunehmen.
    »Also, ich weiß wirklich nicht, was das zu bedeuten hat«, sagte Vita. »Er hat die Jungs noch nie so angeschrien. Sie sind ganz aufgebracht. Er sieht auch nicht gerade gut aus. Große Ränder um die Augen. Er sagt, er hätte schlecht geschlafen.«
    »Höchste Zeit, daß du hinfuhrst«, lautete die Antwort. Ich erkannte die affektierte Redeweise – es war ihre beste Freundin Diana. »Ein Ehemann, den man allein läßt, gerät auf Abwege, das habe ich gleich gesagt. Ich habe da so meine Erfahrungen mit Bill.«
    »Ach, Bill«, sagte Vita. »Jeder weiß, daß du krankhaft eifersüchtig bist und ihn nicht aus den Augen lassen kannst. Nun, ich weiß nicht … hoffen wir, daß das Wetter schön wird und wir alle viel ins Freie gehen können. Ich glaube, er wollte ein Boot mieten.«
    »Das klingt doch recht gesund.«
    »Ja … ich hoffe nur, daß der Professor Dick nicht zu irgend etwas angestiftet hat. Ich traue diesem Mann nicht, habe ihm noch nie getraut und werde es auch nie tun. Und ich weiß, daß er mich nicht mag.«
    »Ich kann mir denken, warum«, warf Diana ironisch ein.
    »Ach, rede nicht so dummes Zeug. Er ist vielleicht andersrum, aber Dick bestimmt nicht. Im Gegenteil.«
    »Vielleicht zieht gerade das den Professor an«, bemerkte Diana.
    Ich hatte genug und legte den Hörer auf. Vita und ihre Freundin Diana schwatzten noch mindestens eine Viertelstunde, und als Vita, von weiblichem Rat gestärkt, herunterkam, erwähnte sie meine Szene von vorhin mit keinem Wort, sondern summte vergnügt, hatte eine bizarr gemusterte Schürze vorgebunden – es sah aus, als wären Äpfel und Schlangen darauf – und briet uns zum Abendessen Steaks, auf die sie Kräuterbutter häufte.
    »Heute gehen wir alle früh ins Bett«, bestimmte sie, während die Jungen mit müden Augen, schweigend und unaufhörlich gähnend beim Essen saßen. Die siebenstündige Reise und die Bootsfahrt im Hafen machten sich jetzt bemerkbar. Nach dem Essen setzte Vita sich auf das Sofa in der Bibliothek und stopfte die Risse und Löcher in meinen Hosen. Ich ging zu Magnus' Schreibtisch und murmelte etwas von unbezahlten Rechnungen – in Wirklichkeit jedoch überflog ich noch einmal die Steuerliste der Gemeinde Tywardreath aus dem Jahre 1327. Dann entdeckte ich einen ungeöffneten Brief. Der Postbote hatte ihn mir am Morgen gegeben, und ich hatte ihn in meiner Aufregung über die Ankunft der drei beiseitegelegt. Er enthielt einen mit der Maschine beschriebenen Bogen von dem Studenten aus dem Britischen Museum.
    »Professor Lane meint, diese Mitteilung über Sir John Carminowe könnte Sie interessieren«, schrieb er. »Er war der zweite Sohn Sir Roger Carminowes von Carminowe. Kam 1323 zum Heer. Wurde 1324 Ritter. Dann zum Großen Rat nach Westminster einberufen. Am 27. April 1331 zum Aufseher der Schlösser Tremerstone und Restormel ernannt und am 12. Oktober zum Aufseher der königlichen Forsten, Parks, Wälder, Wildgehege etc. sowie zum Aufseher des Wildbestandes in der Grafschaft Cornwall.« Auf der Rückseite des Blattes befand sich eine ›Abschrift aus dem Verzeichnis der Verordnungen im fünften Regierungsjahr Eduards III.: 24. Oktober. Joanna, die Witwe unseres Lehnsmannes Henry de Champernoune, erhält gegen eine Gebühr von zehn Dukaten die Erlaubnis, von den Gefolgsleuten obigen Königs den zu heiraten, den sie zum Manne erwählt hat‹.
    Sir John hatte also erreicht, was er wollte, und Bodrugan hatte verloren; Joanna baute schon auf den Tod der Gemahlin Sir Johns und hielt in irgendeiner Schublade die Heiratserlaubnis bereit. Ich heftete das Papier mit der Steuerliste zusammen, stand auf und ging ans Bücherregal, denn ich erinnerte mich, dort die Encyclopaedia Britannica aus dem Besitz Kapitän Lanes gesehen zu haben. Ich nahm Band VIII heraus und schlug unter Eduard III. nach.
    Vita rekelte sich auf dem Sofa und gähnte seufzend. »Ich weiß nicht, was du vorhast«, sagte sie, »aber ich gehe ins Bett.«
    »Ich komme gleich nach«, sagte ich.
    »Immer noch fleißig bei der Arbeit für deinen Professor?« fragte sie. »Nimm das Buch ans Licht, du verdirbst dir die Augen.«
    Ich gab keine Antwort.
    »Eduard III. (1312-1377), König von England, ältester Sohn Eduards II. und Isabellas von Frankreich, wurde am 13. November 1312 in Windsor geboren … Am 13. Januar 1327 erkannte das Parlament ihn als König

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