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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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getan.«
    »Hast du mit ihm gesprochen?« fragte Bill.
    »Nein«, sagte ich, »nein, er hat mich nicht gesehen.«
    »Na, ich weiß nicht«, sagte Bill. »Ich finde doch, du müßtest die Polizei anrufen. Soll ich es für dich tun?«
    »Nein, auf keinen Fall. Und, Bill, kein Wort davon zu Diana oder Vita. Das mußt du mir schwören.«
    Er sah sehr besorgt aus. »Ich verstehe. Es würde sie schrecklich aufregen. Mein Gott, das muß ja ein furchtbarer Schock für dich gewesen sein.«
    »Nun, es geht«, sagte ich. »Es geht.« Ich setzte mich wieder an den Küchentisch.
    »Hier, möchtest du noch etwas Tee?« fragte er.
    »Nein, ich möchte nichts.«
    »Das beweist mal wieder, was ich immer sage, Dick. Die Verbrecherquote steigt unaufhaltsam in jedem zivilisierten Land der Welt. Die Behörden müssen endlich energische Maßnahmen ergreifen. Wer käme darauf, daß so etwas hier passieren könnte, in einem so abgelegenen Ort von Cornwall? Eine Räuberbande, sagst du? Hast du irgendeine Idee, woher sie kamen? Waren sie aus dieser Gegend?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Ich habe keine Ahnung, wer sie waren.«
    »Und du bist ganz sicher, daß jener andere es auch gesehen hat und es der Polizei melden wird?«
    »Ja, ich sah, wie er weglief. Er lief direkt zum nächsten Bauernhaus. Sie haben ja hier alle ein Telefon.«
    »Ich hoffe, du behältst recht«, sagte er.
    Wir saßen eine Weile schweigend da. Er seufzte und schüttelte den Kopf. »Was für ein Erlebnis für dich. Was für ein verdammt schreckliches Erlebnis.«
    Ich steckte meine Hände in die Taschen, damit er nicht sah, wie sie zitterten. »Hör zu, Bill«, sagte ich, »ich gehe jetzt nach oben und lege mich hin. Ich will nicht, daß Vita erfährt, daß ich überhaupt draußen gewesen bin. Und auch Diana nicht. Ich möchte, daß das ganz unter uns bleibt. Weder du noch ich können im Augenblick etwas tun. Ich möchte, daß du es vergißt.«
    »Okay. Ich werde nichts sagen. Aber vergessen kann ich es nicht. Und ich werde mir daraufhin die Nachrichten anhören. Übrigens müssen wir nach dem Frühstück fort, wenn wir das Flugzeug in Exeter erreichen wollen. Ist dir das recht?«
    »Natürlich. Es tut mir nur leid, daß ich dir den Morgen verdorben habe.«
    »Mein lieber Dick, mir tut es für dich leid. Ja, ich sollte auch nach oben gehen und noch ein bißchen schlafen. Mach dir nicht die Mühe, aufzustehen und auf Wiedersehen zu sagen. Du kannst immer deinen Kater als Entschuldigung anführen.« Er lächelte und reichte mir die Hand. »Es war schön gestern, und vielen Dank für alles. Ich hoffe nur, es passiert nun nichts mehr, was euch die Ferien verderben könnte. Ich schreibe euch aus Irland.«
    »Danke, Bill«, sagte ich, »vielen Dank.«
    Ich ging nach oben, zog mich im Ankleidezimmer aus und erbrach heftig in die Toilette. Das Geräusch mußte Vita wohl geweckt haben, denn ich hörte sie vom Schlafzimmer her rufen.
    »Bist du's? Was ist los?«
    »Zu viel Muscadet auf den Bourbon«, sagte ich. »Tut mir leid, ich kann kaum stehen. Ich lege mich hier auf das Sofa. Es ist noch ziemlich früh – ungefähr halb sieben.«
    Ich schloß die Tür und warf mich auf die Couch. Ich war wieder in die heutige Welt zurückgekehrt, aber wer konnte wissen, wie lange es dauern würde? Eins stand fest: Sobald Bill und Diana abgereist waren, mußte ich Magnus anrufen.
    Mit dem Unbewußten ist es eine eigene Sache. Ich war tief erschrocken über die totale Verwirrung, in der ich Bill beinahe noch die Wahrheit über das Experiment selbst anvertraut hätte; aber fünf Minuten, nachdem ich mich hingelegt hatte, schlief ich ein und träumte seltsamerweise nicht von Bodrugan und seinem furchbaren Schicksal, sondern von einem Kricketspiel in Stonyhurst, bei dem eins der Mannschaftsmitglieder einen Kricketball an den Kopf bekam und vierundzwanzig Stunden danach an Hirnblutung starb. An diesen Vorfall hatte ich mindestens fünfundzwanzig Jahre lang nicht mehr gedacht.
    Als ich kurz nach neun aufwachte, war mein Kopf – abgesehen von einem echten Katzenjammer – vollständig klar, aber mein rechtes Auge war noch stärker blutunterlaufen als zuvor. Ich badete, rasierte mich und hörte, wie unsere Gäste im Nebenzimmer rumorten. Ich wartete, bis Bill und Diana hinuntergingen, dann rief ich Magnus an. Kein Glück. Er war nicht zu Haus. Ich hinterließ eine Nachricht bei seiner Sekretärin an der Universität und bat, ihm auszurichten, ich müsse ihn dringend

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