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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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sprechen, er solle auf jeden Fall warten, bis ich ihn anriefe. Dann steckte ich den Kopf durch das Fenster des Ankleidezimmers über dem Innenhof und rief Teddy zu, er möge mir eine Tasse Kaffee heraufbringen. Ich wollte unseren Gästen fünf Minuten vor ihrer Abfahrt gute Reise wünschen – aber keine Minute früher.
    »Was ist mit deinem Auge los? Bist du hingefallen?« fragte mein ältester Stiefsohn, als er den Kaffee brachte. »Nein«, sagte ich, »ich glaube, das ist eine Nachwirkung vom Wind am Montag.«
    »Du warst schon früh auf«, sagte er. »Ich habe gehört, wie du mit Bill in der Küche redetest.«
    »Ich machte Tee«, sagte ich. »Wir hatten beide gestern zu viel getrunken.«
    »Daher wohl auch der Streifen überm Auge, und nicht vom Meer«, sagte er, und dabei sah er seiner Mutter, wenn sie mal einen besonders lichten Moment hatte, so ähnlich, daß ich wegschauen mußte. Mir fiel ein, daß sein Zimmer über der Küche lag und daß er unsere Unterhaltung mit angehört haben konnte.
    »Worüber haben wir eigentlich noch gesprochen?« fragte ich, bevor er hinausging.
    »Wie soll ich das wissen? Meinst du, ich reiße die Planken aus dem Fußboden, um euch zu belauschen?«
    Nein, dachte ich, aber deine Mutter vielleicht, wenn sie um sechs Uhr morgens ihren Mann und ihren Gast reden hört.
    Ich zog mich fertig an, trank meinen Kaffee und erschien gerade rechtzeitig oben auf der Treppe, um Bill die Koffer hinuntertragen zu helfen. Er grüßte mich mit verständnisinnigem, fragendem Blick – die Frauen standen unten im Flur – und murmelte: »Hast du ein wenig geschlafen?«
    »Ja, mir geht es ganz gut.« Ich sah, wie er mein Auge anstarrte. »Ich weiß«, sagte ich und legte die Hand darüber, »das kann ich mir auch nicht erklären. Es muß der Bourbon gewesen sein. Übrigens hat Teddy uns heute morgen gehört.«
    »Ich weiß«, antwortete er, »er hat es Vita erzählt. Aber es ist alles in Ordnung. Keine Sorge.« Er klopfte mir auf die Schulter, und wir stapften die Treppe hinunter.
    »Himmel!« schrie Vita, »was hast du mit deinem Auge gemacht?«
    »Eine Bourbon-Allergie, durch Salzwasser verschlimmert. Das geht vielen Leuten so.«
    Beide Frauen bestanden darauf, mich zu untersuchen, und empfahlen mir die verschiedensten Arzneien.
    »Das kann aber nicht der Bourbon gewesen sein«, meinte Diana. »Ich will dir nicht zu nahe treten, aber ich habe es gestern gleich bei unserer Ankunft bemerkt. Ich fragte mich: Was hat Dick bloß an seinem Auge?«
    »Du hast mir nichts davon gesagt«, meinte Vita.
    Ich hatte genug, legte den beiden meinen Arm auf die Schulter und schob sie auf die Veranda. »Ihr würdet heute morgen auch nicht bei der Schönheitskonkurrenz gewinnen«, sagte ich, »und mich hat nicht der Bourbon aufgeweckt, sondern Vitas Schnarchen. Also haltet den Mund.«
    Wir mußten uns für das obligate Abschiedsfoto auf die Treppe stellen, und es war beinahe halb elf, als sie endlich abfuhren. Bill verabreichte mir einen verschwörerischen Händedruck.
    »Ich hoffe, wir haben in Irland auch so schönes Wetter«, sagte er. »Ich werde die Zeitungen lesen und Wetterberichte hören, um zu wissen, wie es hier in Cornwall steht.« Er sah mich an und nickte kaum merklich. Er meinte, daß er Augen und Ohren aufhalten würde, um über das heimtückische Verbrechen zu hören.
    »Schreibt uns Karten«, sagte Vita. »Ich wünschte, wir könnten mitfahren.«
    »Das kannst du immer tun, wenn es dir hier zu langweilig wird«, sagte ich.
    Das war sicher nicht gerade eine liebenswürdige Bemerkung, und als wir den beiden lange genug nachgewinkt hatten und uns dem Haus zuwandten, sah Vita nachdenklich aus. »Ich glaube wirklich, du wärst froh, wenn die Jungen und ich mit ihnen gefahren wären. Dann hättest du das Haus wieder für dich«, sagte sie.
    »Rede keinen Unsinn.«
    »Na, du hast deine Gefühle gestern abend ziemlich deutlich gezeigt, als du gleich nach dem Essen ins Bett gingst.«
    »Ich ging ins Bett, weil es mich nicht sehr amüsierte, wie du dich in Bills Armen rekeltest und Diana nur darauf wartete, dasselbe bei mir zu tun. Solche Gesellschaftsspiele liegen mir nun mal nicht.«
    »Gesellschaftsspiele!« sagte sie lachend. »Was für ein Blödsinn! Bill und Diana sind meine ältesten Freunde. Wo bleibt dein vielgerühmter britischer Humor?«
    »Er harmoniert leider nicht mit deinem«, sagte ich. »Ich habe einen gröberen Witz. Ich lache höchstens, wenn ich dir eine Matte unter den Füßen wegziehe

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