Ein Tropfen Zeit
Phantom war, und tat es ihm gleich, geräuschlos und als Verbündeter machtloser als jeder Zuschauer bei einem Fußballspiel, der die Verlierer aufmuntern will. Während das kleine Boot ans Ufer trieb, krochen die Feinde, hinter den Bäumen verborgen, auf die Landzunge zu.
Plötzlich lief das Schiff auf Grund, das Tau löste sich, Bodrugan verlor das Gleichgewicht, stolperte und wurde zwischen seine Männer geschleudert. Das kleine Boot schlug um und warf alle drei ins Wasser. Sie waren jedoch dem Ufer so nahe, daß der Fluß an dieser Stelle nicht mehr sehr tief sein konnte, und Bodrugan hatte als erster Boden unter den Füßen. Das Wasser reichte ihm bis an die Brust, während die anderen sich noch neben ihm abmühten. Bodrugan beantwortete Rogers warnende Rufe mit einem triumphierenden Schrei.
Es war sein letzter. Schon waren die Feinde über ihm und seinen Begleitern, so daß diese keine Zeit hatten, sich umzudrehen und sich zu verteidigen. Zwölf gegen drei – und bevor der Regen, der jetzt schwerer niederprasselte als zuvor, sie vor unseren Blicken verbarg, sah ich noch mit Abscheu und Entsetzen, daß sie ihre Opfer nicht an Land zogen, um sie dort mit Schwert oder Dolch zu töten, sondern brutal ihre Gesichter unter Wasser drückten. Einer rührte sich bereits nicht mehr, der andere wehrte sich noch, und acht Männer mußten Bodrugan hinunterzwingen. Roger lief am Fluß entlang zur Mühle, fluchend und keuchend, aber ich wußte, daß es vergeblich war, denn bevor er Hilfe fand, war alles vorbei.
Wir kamen an die Furt unterhalb der Mühle; dort strömte das Wasser, genau wie Joanna gesagt hatte, rasch und tief und erreichte fast die Tür der naheliegenden Schmiede. Wieder legte Roger die Hände an den Mund.
»Rob Rosgof«, schrie er, »Rob Rosgof!« In der Tür erschien der verängstigte Schmied, neben ihm seine Frau.
Roger deutete zum Flußufer hinunter, aber der Mann winkte abwehrend mit beiden Händen, schüttelte den Kopf und wies mit dem Daumen auf den Hügel hinter sich. Die Pantomime bedeutete, daß er die Szene beobachtet hatte, aber nichts tun konnte, und er zog seine Frau mit sich in die Schmiede hinein und verriegelte die Tür. Roger wandte sich verzweifelt der Mühle zu, und die drei Mönche, die offenbar in der Mühle arbeiteten, kamen ihm auf dem Hof entgegen.
»Bodrugan und seine Leute sind an Land getrieben worden«, rief Roger. »Das Schiff ist auf Grund gelaufen, und man hat sie hinterrücks überfallen, um sie zu töten. Gegen ein Dutzend schwer Bewaffnete sind alle drei verloren.« In seinem Gesicht kämpften Wut, Kummer und das Bewußtsein der eigenen Machtlosigkeit.
»Wo sind Lady Champernoune und Sir Carminowe?« fragte einer der Mönche. »Ihr Wagen stand am Nachmittag vor dem Haus.«
»Ihr Neffe, Bodrugans Sohn, ist krank«, antwortete Roger. »Sie haben ihn in die Priorei gebracht, und sie selbst sind jetzt unterwegs nach Bockenod. Ich habe Robbie nach Tregest geschickt, damit er die Leute dort warnt, und ich bete zu Gott, daß keiner von ihnen sich hinauswagt, denn auch sie wären in Lebensgefahr.«
Wir standen am Mühlhof, unschlüssig, ob wir gehen oder bleiben sollten, und blickten unablässig zum Fluß hinüber, wo die Sandbänke über der Mündung das gestrandete Schiff und den Schauplatz des grausigen Geschehens verbargen.
»Wer war der Anführer der Bande?« fragte der Mönch. »Bodrugan hatte früher Feinde, aber das ist lange her, da die Herrschaft des Königs jetzt gesichert ist.«
»Sir Oliver Carminowe, wer sonst?« antwortete Roger. »Sie kämpften im Aufstand von zweiundzwanzig auf verschiedenen Seiten, aber heute mordet er aus anderem Grund.«
Kein Laut als der Wind, das Rauschen des Flusses im Tal und die Schreie der dicht über ihn hingleitenden Möwen. Einer der Mönche deutete auf die Bucht und rief: »Sie haben das Boot flottgemacht und kommen mit der Flut heran!«
Es waren aber nur die Überreste des Bootes – Planken von der Bootswand, die dort als Wrackgut schwammen und sich in der Strömung drehten. Es war etwas darauf gebunden, das hier und da aus dem Wasser tauchte, verschwand und wieder auftauchte. Wir liefen hinunter und warteten an der Bucht, wo die Strömung Treibholz und allerhand Abfälle mit sich trug. Vor uns hoben und senkten sich die Planken auf der Flut und mit ihnen der undefinierbare Gegenstand. Jetzt hörten wir Schreie vom anderen Ufer, die Reiter kamen heran, ihr Führer an der Spitze. Sie galoppierten den Weg zur Schmiede
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