Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
davon
ab, so bewegungslos zu bleiben, wie ich es gern gewesen wäre, bis ich wieder behütet in meinem Hemd steckte. Allmählich kam in mir der Wunsch auf, die ganze Aufregung würde sich legen, denn weder der Anblick des Bluts noch der Whisky waren eine hinreichende Erklärung dafür.
Ich sollte hier hinzufügen, daß diese Leute mir noch immer ein Rätsel waren, vor allem ihre Beziehungen untereinander. Geoffreys struppige, blond-graue Haarigkeit deutete auf ein Alter hin, das deutlich beiderseits der, sagen wir mal, Fünfundvierzig liegen konnte. Er hatte eine schwerfällige, linkische Art, außer wenn er an einer seiner Werkbänke saß, wo er sich mit bemerkenswerter, langsamer Präzision auf seine Arbeit konzentrierte. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, und sein Bart ließ nie erkennen, was sein Mund gerade machte oder eben auch sagte. Er behandelte mich mit einer Art verwaschenen Höflichkeit, die etwas übertrieben, wenn nicht gar berechnend wirkte. Er lieferte mir auch nicht den geringsten Hinweis auf die Art seiner Beziehung zu seinen Frauen, mit welcher von beiden er schlief, wenn überhaupt mit einer. Oder vielleicht mit beiden. Sein Verhalten ihnen gegenüber war eher beiläufig, doch es hätte auch geschäftsmäßig sein können oder eine Folge zu großer Vertrautheit. Sie waren sich ähnlich in Rundlichkeit und Statur und hätten ungefähr gleich alt sein können, auch wenn Gwens Haare grau und kurzgeschoren waren, Ruths dagegen die Farbe von Eichenlohe hatten und in Zöpfen um den Kopf geflochten waren, wobei dieser Unterschied dadurch ausgeglichen wurde, daß Ruth mehr Falten und schlaffere Brüste hatte. Beide hatten ein rosiges Gesicht — Gwens wirkte, als wäre sie eben von einem langen Klippenspaziergang bei starkem Wind zurückgekehrt, auf dem sie sich eine Erkältung eingefangen hatte, Ruths dagegen erinnerte an den Beginn extremer Verlegenheit, bei der die Röte fleckig vom Hals her hochsteigt. Dies paßte zu ihrem fast dauerhaften Lächeln, als hätte sie Angst, es nicht parat zu haben, wenn sie es brauchte. Gwens Lächeln kam häufig, aber immer nur kurz, es wirkte lebhaft, war jedoch leicht zu enttäuschen. Ihre Stimmen klangen ähnlich, gedämpft und hastig und immer auf Überzeugung gestimmt. Neben meiner Arbeit für das Zentrum hatte ich nur wenig
Kontakt mit ihnen gehabt, aber sie hatten mich sehr schnell wissen lassen, daß sie Ex-Labour-Grüne waren oder andersherum, und ich stimmte ihnen ebenso schnell zu, was die Vergewaltigung des Planeten und die Gier des Menschen betraf, nicht nur, weil ich befürchtete, sie würden das Thema sonst auswalzen mit ihren so gutmenschelnden Stimmen, sondern vorwiegend deshalb, weil es wirklich meine Meinung war. Geoffrey gegenüber war Gwen minimal respektvoller, hin und wieder legte sie ihm kurz die Hand auf den Arm. Untereinander waren sie ziemlich forsch und ergänzten sich gegenseitig, so daß, wenn die eine etwas sagte, die andere das letzte Wort haben wollte. Falls sie Rivalinnen waren, hatten sie sich noch nicht damit abgefunden. Ich kann mich jetzt nicht mehr erinnern, ob sie sich je in die Augen geschaut haben. Im Rückblick waren sie immer nebeneinander, nie Auge in Auge. Bei Geoffrey konnte man sowieso nie sicher sein. Wenn sie sich über ein Thema ausließen und sagten: »Meinst du nicht auch, Geoff?«, starrte er sie nur unverbindlich an, als wäre es ihm zu viel Mühe, zwischen den beiden zu unterscheiden. Meistens redeten sie über praktische Dinge, und sie gaben nie vor, mehr zu sein, als sie waren. Sie waren gute Lehrer, und ihre Schüler respektierten sie. Sie waren Perfektionisten. Sie hatten Handbücher und Artikel geschrieben, die in der Bibliothek des Zentrums deutlich sichtbar auslagen. Sie waren ein Team. Ich hätte das alles schon früher erwähnen sollen, aber irgendwie, und Sie werden gleich verstehen, wieso, liegt inzwischen ein Schleier über meiner Erinnerung an sie. Ich habe versucht, gerecht und präzise zu sein. Zu der Zeit war es einfach so, daß die Nebengeräusche ein wenig unpassend wirkten. Was sich natürlich aufbaute, war ein allgemeiner Lachanfall.
Zurück zur Geschichte. Als die zweite Runde Whisky eingeschenkt wurde und Gwen noch immer an meinem Hemd herumschrubbte, fragte ich, ob ich mir die Hände waschen könne. Geoffrey hielt die leere Whisky-Flasche ans Licht, und Ruth kicherte wieder einmal, ich weiß nicht mehr, warum, um dann zu sagen: »Unser Häuschen. Durch diese Tür da, den Gang hinunter
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