Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
ein Auge geworfen, Geoff«, sagte eine der beiden.
Die andere meinte: »Er weiß absolut nicht, was er von uns halten soll, hm? Er will es allen recht machen, hat aber keinen Schimmer, wie er das anstellen soll.«
Ich schaute sie wieder an und sah Gwen sagen: »Ohne Hemd, und das Fett, das überall schwabbelt. Warum ist es so schwer, Mitleid mit ihm zu haben ...«
Ich kam zu der Einsicht, daß es ziemlich unwichtig war, ob ich gekämmt zurückkehrte oder nicht, und ging deshalb ins Bad, um mir das Blut vom Hals zu waschen. Mein erster Gedanke war, daß es sich eindeutig um eine Teekanne gehandelt hatte. Ich hatte nur gesagt, zufällig sehe es in diesem Entwicklungsstadium wie ein kleiner Gockel aus. Solchen Leuten kann man nicht trauen. Aber was soll’s. Im Brennofen ging das Ding dann sowieso kaputt.
Als ich, bereits im Gang pfeifend, zurückkehrte, saßen sie immer noch am Tisch und schauten schuldig drein, als wären sie viel zu schnell zu ebendiesem Urteil gekommen. Gwen gab mir mein Hemd, und Geoffrey schenkte mir einen Whisky ein. Dann ging er zum Waschbecken, während die Frauen sich ziellos in anderen Teilen der Küche beschäftigten. Alle drei drehten mir wieder den Rücken zu.
»Sie sind ein echter Freund, Tom«, setzte Geoffrey nach einer langen Pause an. »Wir haben uns eben unterhalten. Und uns gefragt, ob wir vielleicht eine Weile getrennte Wege gehen sollten. Es ist ja nicht ...«
»Ist Ihnen sicher auch schon aufgefallen«, warf Ruth dazwischen, die sich ganz kurz umdrehte und zur Abwechslung mal nicht lächelte, es dann aber doch tat, beziehungsweise ihr oberes Zahnfleisch durchlüftete. Na ja, es mußte ja nicht unbedingt jeder Witz auf meine Rechnung gehen.
»Schade«, sagte ich. »Dabei hatte ich das Gefühl, daß wir ein
richtig gutes Team geworden sind, und was ihr alles tut, um dem gemeinen Volk ein wenig Erleuchtung und Zivilisation zu vermitteln... sogar mir.«
Gwen beschäftigte sich jetzt am Waschbecken und drehte sich nicht um. Ihre Stimme klang, als könnte sie sich nicht zwischen Spott und Bedauern entscheiden. »Man kann nicht immer nur so tun, als ob. Sie sind ein zu guter Freund, Tom ...«
Nun drehten sich alle drei um, als ich eben versuchte, das Hemd in die Hose zu stopfen, ohne sie aufzuknöpfen. Dann wandten sie sich schnell wieder ab, und das dreifache Kichern, das ich hörte, war möglicherweise keine vereinte Empathie, falls dies das richtige Wort ist.
»Ich möchte euch nur noch eins sagen«, sagte ich, »das alles hat mir sehr viel Vergnügen bereitet. Das wißt ihr. War eigentlich ein Glücksfall für mich, daß ich bei euch gelandet bin und mich hier nützlich machen konnte. Ein großer Tischler bin ich nicht, das muß ich zugeben, noch nicht, eher ein Dünnbrettbohrer, und vielleicht bin einfach nicht aus dem richtigen Holz geschnitzt ...« Ich zog die Hand aus der Hose. Meine Finger waren schweißfeucht, der Leistenbereich dagegen eiskalt.
Da ich dies nun anhand meiner Notizen niederschreibe, kann ich alles aus einer gewissen Distanz betrachten und sagen, daß meine Selbstachtung einen leichten Schlag abbekommen hat, aber ich könnte mich auch mit dem Gedanken trösten, daß diese Leute auf die eine oder andere Art ziemlich fürchterlich (irregeleitet, herablassend?) waren. Könnte ich das wirklich?
Zu der Zeit tat ich mir einfach selber leid, so als wäre mir etwas recht geschehen, aber das können Sie besser beurteilen. Ich frage mich manchmal, ob wir uns wirklich besser kennen können, als wir andere Menschen kennen, also ziemlich schlecht, allerdings können wir uns selber auch weniger überraschen. Das Problem ist, wie andere uns sehen, ist uns um so wichtiger, je mehr wir vermuten, daß sie uns falsch verstanden haben, so daß diejenigen, die uns unvoreingenommen gegenübertreten, leicht gleichgültig oder desinteressiert wirken, und wenn man dieses Verhalten erwidert,
entsteht oft eine gewisse intellektuelle Langeweile daraus. All dies ein wenig herausgearbeitet an einem kalten, schwarzen Abend, an dem die ersten Schneeflocken fallen. Ich wickle meinen Bademantel enger um mich, und dabei fällt mir der blasse Fettwulst über dem Pyjamabund auf. Das war es natürlich, was mich damals am meisten wurmte, daß man mich an meine Unattraktivität erinnerte, wenn Sie so wollen, und auf dem Nachhauseweg schwor ich mir, mich mehr sportlich zu betätigen, Liegestützen zu machen, das Rauchen und das Trinken aufzugeben, mehr an die Sonne zu gehen, öfter
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