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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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erzählte ich Adrian und Jane diese Episode, aber sie wollten nicht über den Krieg reden. Jane sagte nur: »Das Schlimmste ist dieser schadenfreudige Voyeurismus. Als wäre es der neueste Kriegsfilm, nur noch besser, weil es ja real ist.«
    Adrian betrachtete sie mit der zufriedenen, aber ungläubigen Miene eines verliebten Mannes. Dann erzählte er mir, im Augenblick beschäftigte ihn vor allem, daß er in eine andere Firma gewechselt war und jetzt viel mehr Verantwortung hatte.
    »Aufgestiegen, hm?« sagte ich, zog ein Taschentuch heraus und wischte mir die Augen. »Kennen Sie mich noch, Chef? Wie wär’s mit ’nem Fünfer um der alten Zeiten willen?«
    Adrian verzog das Gesicht, und Jane zwinkerte ihm zu, aber auch darauf wollten die beiden nicht weiter eingehen. Um deshalb das Schweigen nicht zu lange werden zu lassen, erzählte ich ihnen von Mrs. Bradecki und fragte sie, was ich ihrer Meinung nach tun sollte.

    Adrian schaute Jane an, die seufzte und sagte: »Ich hatte in der Schule eine polnische Freundin, die ich manchmal besuchen ging. Die Eltern waren sehr freundlich, aber sie sprachen nie über die Vergangenheit, als sollte ihre Tochter in meiner Gegenwart davor beschützt werden. Auch sie erzählte mir nichts darüber, aber ich las Bücher zu dem Thema, und es gab ja auch Filme und so weiter. Manchmal habe ich mir wirklich gedacht, was soll das bloß, wir nörgeln und jammern herum in unserem Laufstall, paddeln gemütlich im Flachwasser, während draußen auf dem Ozean der Geschichte aus den Ideen Monster geworden sind ... Ich weiß auch nicht. Vielleicht hatten sie ein schlechtes Gewissen, weil sie entkommen sind. Ich glaube, meine Freundin redete einfach aus dem Grund nicht darüber, weil das Thema sie langweilte und sie sich schämte wegen einiger Polen, die herüberkamen und nichts taten, außer sich zu beklagen und Forderungen zu stellen: Ihr habt so viel, wir haben so wenig. Außerdem war sie ganz außerordentlich hübsch und hätte eine wunderbare Zeit haben können ohne ... Nein, das klingt gehässig. Ich war nicht neidisch. Ich hatte nichts dagegen, einfach nur hinter ihr herzugondeln. Man merkte deutlich, wie sehr ihre Eltern wollten, daß sie sich amüsierte, aber gleichzeitig verletzte es sie, daß sie ihre Wurzeln verleugnete. Sie wollte sogar ihren Namen ändern, weil er immer falsch ausgesprochen wurde ...«
    »Was ist aus ihr geworden?« fragte Adrian.
    »Schauspielschule. Ich habe sie ein paarmal in kleineren Rollen im Fernsehen gesehen. Vielleicht ist sie verheiratet. Kinder. Was weiß ich.«
    »Du mochtest sie nicht besonders, oder?«
    Jane überlegte einen Augenblick. Ich hatte sie noch nie schlecht über jemanden reden hören, und jetzt überlegte sie sich sehr genau, was sie sagte. »Ich glaube, irgendwann gefiel mir ihr Verhalten nicht mehr. Sie war, generell gesprochen, viel zu promisk, als daß es ihr gutgetan hätte, zu leicht zu haben. Sie hielt sich nicht zurück. Sie hatte immer Schulden. Ich habe sie wirklich sehr gemocht, wißt ihr. Es war, als wäre sie aus einer langen Gefangenschaft befreit worden und hätte nicht mehr lange zu leben. Sie
konnte sich unheimlich gut amüsieren, aber sie hatte auch nichts anderes im Sinn. Ich blieb da ziemlich links liegen.«
    »Hat herumgevögelt, was?« fragte Adrian, als würde er ein neues Vokabular ausprobieren. Ich dachte an meine Tage im Golfclub, das Geplänkel in der Bar. In seiner Stimme schwang ein leichter Unterton mit, den ich zuvor noch nicht gehört hatte. Entwickelte er die ersten Anzeichen von Dünkel?
    Jane antwortete nicht. Etwas mußte aus der Küche geholt werden, und als sie zurückkam, wechselte sie das Thema und sprach über die Rezession. Mrs. Bradecki wurde nicht wieder erwähnt. Sie hatten aufmerksam zugehört, und Jane hatte gemeint, ich müsse tun, was ich für richtig halte. Adrian hatte genickt.
     
    Wieder ist Zeit vergangen. Der Krieg war bald vorüber. Nur geringfügige Opfer, so hieß es — nun ja, bis auf die etwa hunderttausend Iraker. Wahrscheinlich wird es eine Siegesparade geben, weil wir diese Dinge ja immer so gut gemacht haben. Leid tun mir zwei oder drei der Fernsehkommentatoren (sie sollen namenlos bleiben: Ich will mir nicht meine Chancen ruinieren, in eine ihrer Sendungen eingeladen zu werden). Wie auch immer, ich bin mir sicher, sie werden bald wieder einen anderen Grund finden, der Nation ihre Selbstverliebtheit und Herablassung, ihren Hochmut und ihre Blasiertheit zu präsentieren.

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