Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Schlechtes dran sehen. Nur ein paar ...«
Sein Gesicht verdunkelte sich. »Ein paar, was? Machen Sie sich doch nichts vor. Die Mädchen. Sie wissen doch, worauf die aus sind? Verdammte Ehemänner. Die Staatsbürgerschaft. Das wäre
doch was, hm, Ripple, mein Alter? Eine hübsche, kleine Polin, die Sie abends zudeckt und Ihnen morgens Frühstück macht und dazwischen jede Menge wunderbares Knuddelduddel.«
Ich sah ihnen nach, wie sie um die Ecke bogen, Hand in Hand und mit sehr schnellen Schritten. Foster starrte mich finster an, präzise meine Gedanken lesend, was ich allerdings mit einer schnellen Kopf bewegung und einem »Ts« abzuwehren versuchte.
»Erzählen Sie mir nichts«, sagte er und faßte mich noch einmal am Ellbogen. »Da braucht man kaum einen Gedanken dran zu verschwenden. Aber wie auch immer, jetzt hätten Sie Ihre Chance. Die Wohnung da unten ist nicht mehr lange eine Absteige für billige, slawische Arbeitskräfte, falls ich da noch ein Wörtchen mitzureden habe.« Er schob sein Gesicht dicht an meins, als wäre ich es, dem er drohen wollte. »Wissen Sie, was ich meine? Wenn ich Sie wäre ...«
Er ließ meinen Ellbogen los und öffnete die Tür. Ich schenkte ihm ein, wie ich hoffte, neutrales Lächeln, was aber wahrscheinlich als völlig unterwürfig bei ihm ankam. Eines seiner Weicheier, kurz gesagt.
Und so fühlte ich mich verpflichtet, Mrs. Bradecki ein zweites Mal zu besuchen, beziehungsweise schaffte es nach drei harten Tagen inneren Debattierens nicht, es mir auszureden. Es war, als hätte sie mich schon erwartet, denn sie führte mich sofort ins Zimmer ihres Mannes, wo die Papiere noch so lagen, wie ich sie hinterlassen hatte. Die Lampe war wieder angeschaltet. Auf dem Boden vor der Tür lagen mehrere ungeöffnete Umschläge, die sie aufhob und mir gab. Sie hatte noch kein Wort gesprochen, und ich hatte ihr Gesicht kaum gesehen, das sie vor mir verstecken zu wollen schien. Als sie jetzt langsam die Tür hinter mir schloß, starrte sie an mir vorbei zum Schreibtisch, als wäre sie eben an einem fremden Ort aufgewacht und hätte sich erst wieder erinnert, daß sie ihren Mann nie wiedersehen würde. Aber es war keine Trauer mehr in ihrem Gesicht, nur eine gelähmte Verwirrung, und ich hätte sie genausowenig angesprochen, wie ich eine Leiche angesprochen hätte.
Die Tür ging zu, und ich sah mich um. Am Rand des Schreibtisches stand eine halbleere Wodkaflasche, und daneben lag ein Glas. Ein anderes Glas lag auf dem Boden. Auf dem kleinen Tisch neben dem Sessel, in dem ich gesessen hatte, stand das volle Glas noch so, wie ich es abgestellt hatte, daneben lag das Buch über das Warschauer Getto, das er mir gegeben hatte, noch aufgeschlagen auf der Seite mit dem Foto der drei jungen Frauen und der zwei Jungen kurz vor ihrer Erschießung. Der Ausdruck auf dem Gesicht von Mrs. Bradecki war derselbe gewesen, Lähmung weit jenseits des Grauens.
Die Papiere verrieten mir ziemlich schnell ihre Geschichte. Da waren ein Girokontoauszug, der ein Guthaben von 957 Pfund zeigte, sowie Auszüge von zwei Bausparverträgen, einer auf seinen, einer auf ihren Namen, über jeweils etwa 10 000 Pfund. Es gab unbezahlte Rechnungen für Strom, Wasser, TV-Miete und Gas. Die TV-Gebühren und die Gemeindesteuer waren bezahlt. In einem ordentlich geführten Mietbuch hatte er seine monatlichen häuslichen Ausgaben verzeichnet: die Mietschulden betrugen 600 Pfund. Es gab einen Ordner für den Polnischen Club, bei dem er Mitglied gewesen war, und die Korrespondenz darin war halb in Polnisch und halb in Englisch. Offensichtlich war er Mitglied im Vorstand gewesen. Bis jetzt nichts, was mich sonderlich fesselte. In zwei Ablageboxen lagen mehrere Jahre zurückreichende Briefe, in denen es um Visumsanträge ging, die meisten mit einem Häkchen in der oberen, rechten Ecke und einige andere mit einem Kreuz, erstere mit einem Anhang aus Kopien entweder von Einladungsbriefen mit mehreren verschiedenen Namen und Adressen an das Britische Konsulat in Warschau oder einem Empfehlungsbrief an andere Adressen in Großbritannien. Auf der Innenseite des einen Boxendeckels stand eine Liste mit Namen und Daten, insgesamt wohl einige Hundert. Offensichtlich war er das Zentrum irgendeines Netzwerks gewesen, was Foster sicherlich sehr interessieren würde, mich aber nichts anging.
Ein anderer, mit weißer Kordel zusammengebundener Aktensatz enthielt Unterlagen zu seinen Einkünften und Steuererklärungen, alles bis ins kleinste
Weitere Kostenlose Bücher