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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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wenn es nur Fiktion ist. Es ist nicht so, als müßte man wirklichen Menschen gerecht werden.
     
    So denke ich jetzt, in meiner Flucht vor der Realität. Ich habe Mrs. Brown einen Brief geschrieben und ihr gesagt, wie ausgesprochen dankbar ich für die Einladung zum Abendessen gewesen sei und auch für die Gelegenheit, ihren Sohn kennenlernen zu dürfen. Ich schrieb, das Essen sei überirdisch gewesen und das Ambiente großartig. Ich schrieb, ich hoffte, Simon sei wohlbehalten nach Sheffield zurückgekehrt und daß es an der Hochzeitsfront bald gute Neuigkeiten gebe. Ich schrieb, es habe mich gefreut, seine Bekanntschaft zu machen, und daß sie sehr stolz auf ihn sein müßten. Seitdem war ich ein paarmal im Connaught, aber Brown war nie da. Ich rufe ihn nicht gern an. Jetzt hat er keinen Grund mehr zu fliehen. Am Ende eines harten Arbeitstages genügt es ihnen sicher, allein mit sich und vielleicht dem Fernseher zu sein. Wahrscheinlich sehnen sie den Tag herbei, da ihr Sohn ihnen seine Freundin vorstellt. Das ist die Art von Schlußfolgerung, auf die man sehr leicht kommt. Aber natürlich stelle ich mir das alles
nur vor. Ich glaube, das ist für den Augenblick alles, was ich über die Browns sagen will oder, genauer, kann. Wir können nur versuchen, die Lücken zu füllen, die Wahrheit sich entfalten zu lassen, auf unsere ganz eigene Art, und dabei Vorsicht walten zu lassen. Ich kann nicht weiter über dieses Thema nachdenken. Es gibt so viele, die das besser können. Ich frage mich, ob vielleicht ein Kochprogramm läuft, das ich mir statt dessen anschauen könnte. Gedankenfutter.

KAPITEL FÜNFZEHN
    A uf dem Nachhauseweg von den Browns holte ich mir eine Erkältung. Daraus wurde eine Grippe, die sich zu einer Lungenentzündung entwickelte. Mein Arzt gab mir schließlich Antibiotika, doch der Husten machte mir noch sehr lange Zeit danach zu schaffen. Phil Badgecock hörte es durch die Wand und sagte eines Morgens: »Einen schlimmen Husten haben Sie da. Ich selber habe das Rauchen aufgegeben, als ich in Rente ging.« Mrs. Hirst meinte, ich sähe aus wie eine lebende Leiche, und ein Mann in meiner Position sollte doch besser auf sich aufpassen ...
     
    Als ich danach zum ersten Mal, gut eingepackt, nach draußen ging, traf ich Mr. Fogarty. »Hatte auch mal so einen Schal«, sagte er. »Als ich in dieser Wetterstation in der Arktis arbeitete. Das war ein kaltes Jahr, das kann ich Ihnen sagen, nach dem Sambesi. Dazwischen die Stampede in Calgary. Diese Eskimos könnten uns einiges darüber beibringen, wie man sich am besten warm hält. Wenn ich mich recht erinnere, sind Sie ja Experte für Eskimos und Konsorten, hat zumindest Mrs. Hirst mir erzählt ...« Ich fing an zu husten, und er klopfte mir auf den Rücken. »Wir beide müssen eines Tages mal ein Powwow über unsere verschiedenen Erlebnisse abhalten.« Wieder zwinkerte er mir übertrieben zu. Ebensogut hätte er sagen können: »Solange keiner von uns glaubt, was der andere sagt.«
     
    Am ersten Tag meiner Bettlägerigkeit rief ich Mr. Patel an, um ihn zu fragen, ob ich meine Lebensmittel vielleicht auch geliefert bekommen könne. Binnen einer Stunde hatte er sie persönlich vorbeigebracht,
und danach rief er jeden Morgen an, um zu fragen, was ich an diesem Tag brauchte. Manchmal brachte er die Bestellung persönlich. Manchmal waren es die Kinder. Beim ersten Mal schauten sie sich mit rasch schwindender Neugier im Haus um, als hätten sie etwas erwartet, was sie nun nicht fanden. Ich fürchte, sie hatten zuviel Bestaunenswertes erwartet: Hunderte von Büchern vielleicht, exotische Bilder und Antiquitäten, Stammesobjekte, die ich bei meinen Reisen um die Welt gesammelt hatte. Statt dessen sahen sie, abgesehen von meiner farbigen Schale, nur alte Fotos anderer Leute, ein Regal mit einem guten Dutzend Büchern, den Fernseher, zwei Lehnsessel mit losem, hellbraunem Bezug und passenden Kissen, eine Schreibmaschine auf einem Tisch und den CD-Player. Alles sehr wenig verlockend. Vielleicht dachten sie, die Geheimnisse meines Lebens würden oben aufbewahrt, und mein Wohnzimmer wäre nur ein Empfangsraum für Besucher. Wie auch immer, als ich dann gebeugten Rückens mit ihnen in die Küche schlurfte und sie später zur Tür brachte, schauten sie mit nicht weniger Ehrfurcht zu mir hoch — als erwarteten sie, daß ich, wenn ich erst einmal zu husten aufgehört hätte, Worte der tiefsten Weisheit äußern würde. Wenn Mr. Patel persönlich kam, sagte er immer, wenn ich

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