Ein unbezaehmbarer Verfuehrer
ausdruckslos.
Er ließ seinen Blick über ihre hohe glatte Stirn, den sinnlichen Mund, die großen, blauen Augen schweifen. „Geradezu umwerfend."
„Und Sie glauben, dass Schönheit ein hinreichender Grund sei, eine Frau zu heiraten." Nun klang sie beinahe bitter.
Was hatte der ominöse Mr Halifax seiner Frau nur angetan? „Diesen Glauben dürften die meisten Männer teilen."
„Natürlich", murmelte sie. „Nicht einen Gedanken verschwenden sie an die Bedürfnisse der Frau, an ihre Vorlieben und Abneigungen, ihre Ängste, Wünsche und Hoffnungen — an ihre tiefste Seele."
„Nein?", fragte er.
„Nein." Ihre schönen blauen Augen waren dunkel geworden, ihr Blick traurig. Der Wind blies ihr eine blonde Locke ins Gesicht.
„Arme Mrs Halifax”, sagte er mit leisem Spott. Er gab einem Impuls nach und hob die linke Hand — seine unversehrte Hand — und strich ihr die Haarsträhne aus der Stirn. Ihre Haut war zart wie Seide. „Wie entsetzlich, so schön zu sein."
Sie zog die Brauen zusammen. „Sie sagten, die meisten Männer ."
Er ließ seine Hand sinken. „Habe ich das?"
Aufmerksam sah sie ihn an. „Finden Sie denn nicht, dass es bei der Wahl einer Frau vor allem auf ihre Schönheit ankommt?"
„Was für eine Frage! Bitte bedenken Sie, dass es in der Natur der Dinge liegt, dass eine schöne Frau ihrem unschönen Gatten entweder bald untreu oder ihn zeit ihres Lebens hassen würde. Ein so abstoßender Mann wie ich müsste schon sehr dumm sein, sich mit einer schönen Frau einzulassen." Lächelnd blickte er in ihre betörenden Augen. „Man sagt mir ja so einiges nach, Mrs Halifax, aber dumm bin ich ganz bestimmt nicht."
Damit verbeugte er sich und wandte sich ab. Mit großen Schritten ging er in Richtung Burg und ließ Mrs Halifax, diese hoffnungslos betörende Verführung, allein zurück.
„Wann fahren wir nach Hause?", fragte Jamie am nächsten Nachmittag. Er hob einen Stein auf und warf ihn quer über den Hof. Weit flog der Stein nicht, aber Abigail sah es dennoch mit einem Stirnrunzeln. „Lass das!"
„Warum?", quengelte Jamie.
„Weil du jemanden treffen könntest."
Jamie schaute sich im Hof um, wo außer ihnen und ein paar Spatzen niemand war. „Wen denn?"
„Weiß ich doch nicht!"
Am liebsten hätte Abigail auch mit Steinen geworfen, aber junge Damen taten derlei nicht. Außerdem sollten sie eigentlich Teppiche ausklopfen. Mama hatte in einer Ecke des Hofs eine Leine spannen lassen, auf der jetzt ein paar furchtbar staubige Teppiche hingen. Abigail taten schon die Arme weh, trotzdem holte sie noch mal kräftig mit dem Besen aus. Wumm! Das tat richtig gut, so auf den Teppich einzudreschen. Eine riesige Staubwolke stob auf.
Jamie hockte sich hin und griff nach einem neuen Stein. „Ich will nach Hause."
„Das sagst du schon die ganze Zeit", erwiderte Abigail gereizt.
„Ich will nach Hause!", schrie Jamie, sprang auf und schleuderte den Stein durch den Hof. Diesmal traf der Stein die Stallwand, prallte von dieser ab und kollerte über den Boden. „Zu Hause mussten wir nie Teppiche klopfen! Manchmal durften wir sogar mit Miss Cummings in den Park. Hier kann man überhaupt nichts machen außer arbeiten!"
„Wir können aber nicht nach Hause!", gab Abigail zurück. „Und ich habe dir schon mal gesagt ..."
„He!", ertönte es hinter ihnen.
Den Besen noch immer in der Hand, warf Abigail einen Blick über die Schulter.
Mr Wiggins kam auf sie zugeprescht. Seine roten Haarbüschel flatterten im Wind, mit seinen kurzen, kräftigen Armen fuchtelte er wild in der Luft herum. „Was treibt'n ihr da? Steine werf'n, was? Seid wohl verrückt geword'n! Bisschen schwach im Kopf, was?"
Abigail straffte die Schultern. „Er ist nicht schwach im ..."
Mr Wiggins schnaubte wie ein aufgescheuchtes Pferd. „Wer Steine rumschmeißt, hat sie nich' mehr alle, sag ich. Kann er doch jemand mit treffen! Mich zum Beispiel. Und eins sag ich dir ..."
„So dürfen Sie nicht mit uns reden! ", rief Jamie und ballte die Fäuste.
„Was soll ich nich' dürfen?", rief Mr Wiggins und versuchte, Jamies Akzent nachzuäffen. „Hör sich das mal einer an, ein Londoner Schnösel!"
„Mein Vater ist ein Duke! ", schrie Jamie, ganz rot im Gesicht. Abigail erstarrte.
Aber Mr Wiggins warf nur den Kopf zurück und lachte. „N' Duke, was? Und du bist dann wohl der kleine Duke, was? Ha, ha! Kleiner Duke! Aber hier werd'n keine Steine geworf'n, kapiert?"
Noch immer lachend ging er davon.
Abigail wartete mit
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