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Ein unbezaehmbarer Verfuehrer

Titel: Ein unbezaehmbarer Verfuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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Erster abgeschossen. Nein, lieber ruhig Blut bewahren und in Deckung bleiben. Immerhin hatte sie ja ein Versteck gefunden.
    Leise fröstelnd stieg sie die Treppe hinunter. Die Stufen waren glatt und ebenmäßig, doch aus blankem Stein. Konnte Sir Alistair sich keinen Teppich leisten? Vielleicht könnte sie wenigstens ein oder zwei Bilder am Treppenabsatz aufhängen. Heute hatte sie in einem der ungenutzten Räume im zweiten Stock einen ganzen Stapel entdeckt, der, von einem altem Laken verhüllt, an der Wand lehnte.
    Die Treppe führte hinunter in den hinteren Teil der Burg. Kurz bevor sie das Erdgeschoss erreichte, zögerte Helen. In der Küche war Licht. Einer der neuen Dienstboten konnte es nicht sein, da die Mädchen und die Lakaien jeden Tag aus dem Dorf heraufkamen. Mrs McCleod würde zwar demnächst hier Quartier beziehen, hatte aber nach einem Blick in ihr künftiges Zimmer erklärt, dass da erst mal gründlich geputzt werden müsse, ehe sie einziehen könne. Wenn in der Küche noch Licht war, hieß das also entweder, dass Sir Alistair der nächtliche Hunger gepackt hat oder dass Mr Wiggins sich dort herumtrieb. Helen schauderte. Den garstigen kleinen Mann konnte sie gerade nicht verkraften.
    Also schlug sie die entgegengesetzte Richtung ein und ging in den vorderen Teil der Burg. Das Speisezimmer lag dunkel und verlassen da. Was Sir Alistair wohl mit den sterblichen Überresten seines Hundes machen würde? Sie hatte den Burgherrn allein zurückgelassen, um sich um Jamie und Abigail zu kümmern. Als sie sich noch einmal nach ihm umwandte, kauerte er stumm über seinen Hund gebeugt vor dem Kamin. Keine Träne weinte er, doch aus jeder seiner Gesten sprach abgrundtiefe Trauer.
    Rasch ging Helen weiter. Sie wollte kein Mitleid für Sir Alistair empfinden. Er war ein unausstehlicher Mensch und hatte keine Mühe gescheut, ihr zu verstehen zu geben, wie unerwünscht sie hier war. Am Anfang hatte sie sich damit getröstet, dass er eben so war, dass nichts und niemand ihm etwas bedeutete. Aber der heutige Abend dürfte dies ja wohl widerlegt haben. Er verbarg sich hinter der Maske des gefühllosen Ungeheuers, aber darunter war er auch nur ein Mann. Ein verletzlicher noch dazu.
    Mittlerweile war sie in der großen Halle angelangt und stand vor der schweren Tür, durch die sie am ersten Abend gekommen waren. Um den Riegel zurückzuschieben, musste sie ihre Kerze abstellen und mit beiden Händen zupacken. Sir Alistair war dies ohne sichtliche Kraftanstrengung gelungen. Woraus sich schließen ließ, dass sich unter dem alten, abgewetzten Jagdrock, den er Tag und Nacht trug, kräftige Muskeln verbargen. Ganz plötzlich entstand in ihrer überreizten Fantasie ein Bild des unbekleideten Burgherrn in all seiner körperlichen Harmonie. Helen blieb wie angewurzelt stehen. Ganz warm war ihr geworden. Gütiger Gott! War sie so verzweifelt, so schamlos? Denn die Vorstellung eines entblößten Sir Alistair entsetzte sie kein bisschen — eher weckte sie ihre Neugierde. Ob seine Brust behaart war? Sein Bauch so flach wie es schien? Und wenn sie schon so weit dachte—hier, im Dunkeln verborgen —, konnte sie auch den nächsten Gedanken wagen: Ob seine Männlichkeit kurz oder lang war, stattlich oder schmächtig?
    Schamlos, wirklich schamlos!
    Helen atmete tief durch, schüttelte die unerhörten Gedanken ab und stellte die Kerze auf der obersten Treppenstufe ab. Der Mond stand hoch am Himmel. Nachdem ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie die ersten Bäume entlang der Auffahrt erkennen. Leise raschelten die Blätter, wogten die Wipfel im Nachtwind. Fröstelnd zog Helen die Schultern hoch. Sie hätte ihren Umhang mitnehmen sollen.
    Ein schmaler Weg führte rechter Hand um die Burg herum, und Helen entschied sich, in diese Richtung zu gehen. Vorsichtig setzte sie einen Schritt vor den anderen. Als sie an der Rückseite der Burg angekommen war, schien der Mond hell und rund über die fernen Hügel am Horizont. Erst als sie sich von dem überwältigenden Anblick losriss, merkte sie, dass sie nicht allein war. Die hochgewachsene Gestalt eines Mannes zeichnete sich scharf gegen den mondhellen Himmel ab. Still und reglos stand er da, einsam und erhaben wie ein Monolith, so als stünde er seit Jahrhunderten schon dort.
    „Mrs Halifax", sagte Sir Alistair, gerade als sie sich abwenden wollte. „Kann man Ihnen nicht mal des Nachts entkommen?"
    „Entschuldigen Sie", murmelte Helen und spürte, wie ihr das Blut in die

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