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Ein unbezaehmbarer Verfuehrer

Titel: Ein unbezaehmbarer Verfuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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ein Mädchen bei sich beherbergte, wurde ihm erst bewusst, wie wenig er eigentlich über Kinder wusste.
    „Bist du krank?", fragte er Abigail. Vielleicht war sein Ton etwas zu scharf gewesen, denn sowohl Helen als auch Sophia blickten unvermittelt auf.
    Doch das Kind blinzelte nur und schüttelte kläglich den Kopf. Alistair schnippte mit den Fingern. „Bringen Sie uns ein sehr kleines Glas Wein", wies er den Lakaien an.
    „Jawohl, Sir." Der Diener verließ das Zimmer, doch Alistair ließ weiterhin seinen Blick auf Abigail ruhen.
    Sophia räusperte sich. „Auf unserer Wanderung haben wir einen Habicht und zwei Hasen gesehen, aber leider keine Dachse. Bist du sicher, dass hier in der Nähe ein Bau ist?"
    „Ja", sagte Alistair zerstreut. War Abigail nicht auch viel bleicher als sonst? Schwer zu sagen, da sie ohnehin eine blasse Gesichtsfarbe hatte.
    „Nun, dann müssen wir uns die Entdeckung wohl für unseren nächsten Besuch aufsparen", seufzte Sophia.
    Überrascht sah er sie an. „Was?"
    Der Lakai kehrte mit dem Weinglas zurück, und Alistair deutete auf das Mädchen. Sichtlich erstaunt blickte es auf das kleine Glas mit der rubinroten Flüssigkeit.
    „Trink einen Schluck davon", sagte Alistair unwirsch. „Es wird dich beleben." Dann wandte er sich wieder seiner Schwester zu und fragte reichlich ungehalten: „Was soll das heißen? Willst du schon wieder abreisen?"
    „Gleich morgen früh", bestätigte seine Schwester.
    „Sophie hat morgen eine Versammlung der Philosophischen Gesellschaft in Edinburgh", erklärte Miss McDonald. „Mr William Watson ist extra aus London angereist, um seine Leydener Flasche vorzuführen. Wenn wir Glück haben, können wir uns am eigenen Leib vom Phänomen der Elektrizität überzeugen."
    „Watson behauptet, dass in einem Kreis von zwölf Menschen, die einander an der Hand halten, die elektrische Spannung sich ohne Unterbrechung von einem zum anderen fortsetzt, immer im Kreis herum", sagte Sophia. „Klingt mir höchst dubios, aber wenn dem so sein sollte, will ich es nicht als Einzige verpassen."
    „Aber du bist doch gerade erst angekommen", murrte Alistair. Dass Sophia und Miss McDonald so unangemeldet hier aufgetaucht waren, hatte ihm zunächst zwar gar nicht gepasst, aber nun stimmte die Aussicht auf ihre baldige Abreise ihn nicht minder verdrießlich.
    „Du darfst gern mit uns kommen, Bruder." Herausfordernd hob Sophia die Brauen über ihrem Brillengestell.
    Abigail erstarrte.
    „Lieber nicht", murmelte er und beobachtete weiter das Kind. Was war nur los mit dem Mädchen?
    „Aber wenigstens zu Weihnachten könnten Sie uns dieses Jahr besuchen", versuchte es Miss McDonald.
    Alistair erwiderte nichts darauf. Weihnachten war noch lange hin. Er schaute Helen an, die schon wieder errötete. Warum Pläne für die Zukunft schmieden, wenn sie doch kein Glück für ihn bereithielt? Da blieb er lieber hier und erfreute sich an Helen, solange sie ihn eben ließ. Seine einsame, trostlose Zukunft konnte warten.
    Spät am Abend schlich Helen die dunklen Stiegen der Burg hinauf wie ein Dieb. Oder eine Frau auf dem Weg zum heimlichen Rendezvous, was der Sache schon näherkam. Es hatte Ewigkeiten gedauert, die Kinder ins Bett zu bekommen. Erst nachdem sie ihnen alle vier Märchen vorgelesen hatte, waren sie endlich eingeschlafen. Abigail hatte so lange darauf bestanden, den Welpen mit ins Bett nehmen zu dürfen, dass Helen schließlich nachgegeben hatte. Puddles fest an ihre Wange gedrückt, war sie eingeschlafen. Dem kleinen Hund schien es glücklicherweise nichts auszumachen.
    Ihren Gedanken nachhängend, ging Helen auf Zehenspitzen leise durch den oberen Korridor. Sie hatte den Eindruck gehabt, dass Abigail sich so langsam hier einlebte. Heute Morgen beim Angeln hatte sie so glücklich und unbeschwert gewirkt. Aber nun wieder war sie verdrossener denn je. Die Erfahrung hatte Helen gelehrt, dass es wenig brachte, ihre Tochter zu drängen, sich ihr anzuvertrauen. Es war zermürbend, aber man musste ihr Zeit lassen, selbst zu entscheiden, wann und ob sie über ihre Sorgen reden wollte. Natürlich änderte das wenig an den Schuldgefühlen, die Helen plagten, wenn sie nicht wusste, was ihr Kind auf dem Herzen hatte.
    Bisweilen, wenn sie andere kleine Mädchen sah — hübsche, sorglose, geschwätzige kleine Mädchen —, fragte sie sich schon, warum ausgerechnet ihre Tochter so launisch und kompliziert sein musste. Doch wenn sie dann in Abigails blasses, ernstes Gesicht schaute,

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