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Ein unbezaehmbarer Verfuehrer

Titel: Ein unbezaehmbarer Verfuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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Aber jetzt war er so schrecklich wütend auf sie. Wie streng er geschaut, wie finster er die Stirn in Falten gelegt, wie er sie angeschrien hatte! Und das Schlimmste war, dass er recht hatte. Sie war selber schuld. Sie hatte wirklich nicht gut genug auf Puddles aufgepasst. Sie hatte ihn in den Stall laufen lassen, während sie sich draußen im Hof einen Käfer anschaute, der über den Boden gekrabbelt war. Aber zu wissen, dass sie im Unrecht war, machte alles nur noch schlimmer. Sie war nicht gern im Unrecht. Sie hasste es, im Unrecht zu sein. Genauso wie sie es hasste, einen Fehler einzugestehen und sich entschuldigen zu müssen. Ganz elend fühlte sie sich dann, wie ein kleines, armseliges Würmchen. Und weil sie dieses Gefühl nicht ausstehen konnte, weil sie wusste, dass er recht und sie einen Fehler gemacht hatte, hatte sie ihn angeschrien und war weggelaufen.
    Sie rannte den Hang hinter der Burg hinunter zum Bach und dem kleinen Wäldchen, wo Lady Grey begraben lag, und erst als sie schon fast unten angelangt war, wurde ihr klar, dass dies keine gute Idee gewesen war. Jamie war nämlich schon da, hockte am Ufer und warf Stöckchen in das dahinplätschernde Wasser. Sie blieb stehen und schnappte nach Luft ganz heiß war ihr. Vielleicht konnte sie einfach umdrehen und sich klammheimlich zurück in die Burg stehlen? Doch da hatte Jamie sie schon entdeckt.
    „He!", rief er. „Jetzt bin ich mal mit Puddles dran!"
    „Nein, bist du nicht", erwiderte Abigail, obwohl sie den Hund schon den ganzen Morgen gehabt hatte.
    „Doch, bin ich!", brüllte Jamie, sprang auf und kam zu ihr heraufgerannt. Als er ihr Gesicht sah, blieb er stehen. „Weinst du?"
    „Nein!"
    „Du siehst aber so aus, als ob du weinst", beharrte Jamie. „Bist du hingefallen? Oder ..."
    „Ich weine nicht!", schrie Abigail und rannte ins Wäldchen.
    Finster war es dort, und im ersten Moment konnte sie nichts erkennen. Sie spürte einen Ast gegen ihre Schulter schlagen, blieb an einer Wurzel hängen und stolperte, fing sich und rannte weiter. Sie wollte nicht mit Jamie reden und sich seine blöden Fragen anhören. Eigentlich wollte sie mit überhaupt niemandem reden. Wenn alle sie nur einfach in Ruhe ...
    Sie prallte gegen etwas, dass ihr beinahe den Atem nahm. Fast wäre sie hingefallen, hätten nicht grobe Hände sie gepackt. Sie sah auf und wähnte sich in einem Albtraum.
    Mr Wiggins beugte sich so weit über sie, dass sie seinen stinkenden Atem riechen konnte. „Huuhuuuh!", heulte er wie ein altes Schlossgespenst.
    Sie versuchte sich loszureißen, wütend und beschämt, dass sie sich von ihm Angst hatte machen lassen, aber sie hatte Angst. Dann schaute sie an Mr Wiggins vorbei und ihre Augen weiteten sich in stummem Entsetzen. Keine drei Schritte entfernt stand der Duke of Lister und verfolgte das Geschehen mit regloser Miene.
    Sorgfältig faltete Alistair das Schreiben an Vale zusammen. Wahrscheinlich würde er vor seinem Brief in London eintreffen, aber einen Versuch war es allemal wert. Er hatte sich entschieden. Er würde Castle Greaves verlassen, nach London reisen und mit Etienne sprechen, wenn dessen Schiff vor Anker ging. Alistair würde zwei Wochen fort sein, aber in der Zeit könnte Helen sich hier um alles kümmern. Reisen war ihm ein Gräuel — erst recht all die Idioten, die ihm unterwegs zwangsläufig begegneten und ihn anstarrten —, aber die Wahrheit über Spinner's Falls war es ihm wert, das Übel auf sich zu nehmen.
    Alistair tropfte gerade Siegelwachs auf den Brief, als er Schritte auf der Turmtreppe vernahm. Erst dachte er, man wolle ihm Bescheid sagen, dass es Mittagessen gebe, doch dafür waren die Schritte zu laut, zu eilig. Wer immer da die Treppe heraufkam, rannte.
    Aus diesem Grund hatte er sich bereits erhoben, als Helen zur Tür hereinstürmte. Ihr Haar hatte sich gelöst, ihre blauen Augen waren weit aufgerissen, alles Blut war aus ihren Wangen gewichen. Sie versuchte etwas zu sagen, beugte sich dann nur keuchend vor und hielt sich mit der Hand die Seite.
    „Was ist?", fragte er scharf.
    „Die Kinder!", stieß sie hervor.
    „Was ist mit ihnen?", rief er. „Sind sie verletzt?" Er wollte an ihr vorbeihasten, sah Schreckensbilder ertrunkener, verkohlter, zerschellter kleiner Kinderkörper vor seinem inneren Auge, doch sie packte ihn mit erstaunlich festem Griff am Arm.
    „Sie sind fort!"
    „Fort?", wiederholte er und sah sie verständnislos an.
    „Ich kann sie nirgends finden", sagte sie. „Ich habe sie

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