Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
förmlicher Mann zu sein. Sein Diener hat mir erzählt, dass er einen Jungen beschäftigt, dessen einzige Aufgabe darin besteht, die Kragen des Kapitäns zu stärken.«
Cams Antwort bestand in einem Grunzen, während er sein bequemes Batisthemd abstreifte. Dann wusch er sich den Oberkörper. Zehn Minuten später zwängte Phillipos seinen finster dreinblickenden Herrn in einen schwarzen Rock und bescheinigte ihm ein zufriedenstellendes Aussehen.
Cam schritt mit einem Gefühl wilder Verzweiflung zur Kapitänskabine. Sein Verstand wusste, dass diese Stimmung vorübergehen würde. Er würde Frieden finden, wenn er wie von Sinnen Marmorblöcke bearbeitete. Und eines fernen Tages würde er eine neue Frau finden und sich seine einstige Ehefrau aus dem Kopf schlagen. Eines Tages würde es ihm gleichgültig sein, dass er nie wieder einen Brief von Gina erhalten, sie nie mehr in seinen Armen halten …
Eines Tages …
Er stieß die Tür zur Kapitänskabine auf und rammte sie dem dicken Pastor in den Rücken.
»Ich bitte um Verzeihung, Sir«, rief Cam und bückte sich, um dem Mann wieder aufzuhelfen, der vornüber auf die Knie gefallen war. Cam stemmte die Füße in den Boden und zog ihn auf die Beine.
»Das macht doch nichts, Euer Gnaden«, versicherte der Pastor und strahlte Cam mit dem Entzücken eines einfachen englischen Bürgers an, der sich unvermutet in der Gesellschaft eines Aristokraten wiederfindet. »Ich sagte soeben zu Ihrer reizenden Frau, dass … «
Der Gottesmann sprach zwar weiter, doch Cam hörte nicht mehr, was er sagte.
Sie lächelte, als wäre nichts geschehen. Als wäre er nicht Hals über Kopf geflohen wie ein Feigling, nachdem er von ihrer Heirat erfahren hatte. Als hätte sie nicht den besseren Mann geheiratet.
»Aha!«, machte Cam und schnitt dem Pastor das Wort ab. Er verneigte sich und hob ihre Hand an seine Lippen. »Meine ehemalige Herzogin.«
»Und deine zukünftige«, erwiderte sie.
Gina war elegant gekleidet und sorgfältig frisiert, von ihren gefärbten Wimpern bis zu ihrem gelockten Haar. Jeder Zentimeter eine Herzogin, wahrhaftig!
Er konnte nur dümmlich grinsen.
Sie wandte sich an den Geistlichen und legte ihm die Hand auf den Arm. »Wie Sie sehen, hat es dem Herzog vor Überraschung die Sprache verschlagen, Pastor Quibble.«
»Meiner Schwester ist es beim Abschied ganz genauso ergangen«, gab dieser prompt zurück. »Sie hat geweint, als wollte ich ans andere Ende der Welt. Beabsichtigen Euer Gnaden, sich länger in Griechenland aufzuhalten?«
Gina schaute nachdenklich über den Rand ihres Sherryglases. »Der Herzog lebt auf einer Insel und meißelt Marmorskulpturen«, erklärte sie dem Pastor. »Ich nehme an, wir werden einige Jahre dort bleiben.«
Cam trank den schlechten Sherry des Kapitäns und versuchte, die überschäumende Freude im Zaum zu halten, die seinen Körper durchströmte. Ganz offenkundig war sie immer noch seine Frau, mit jeder praktischen, nüchternen Faser ihres Wesens. Oder sie würde es wieder werden, um genau zu sein.
»Das ist in der Tat ein Opfer!«, rief Pastor Quibble schaudernd. »Für eine zarte Dame wie Euer Gnaden sind die griechischen Inseln ein furchtbarer Ort. Das Festland ist schon schlimm genug.« Er stürzte seinen Sherry hinunter. »Meine liebe Schwester hat mich wohl schon an die hundertmal gefragt, ob sie nicht kommen und meine Mühsal lindern solle. Doch ich musste ihr dies in aller Entschiedenheit verwehren. Eine Rosenknospe wie du ist für dieses raue Leben nicht geschaffen, habe ich ihr immer wieder gesagt. Sie würde in dieser grässlichen Hitze verwelken, ja schlimmer noch, sie würde sich vom Temperament der Einheimischen abgestoßen fühlen. Ali Pascha besitzt so gar keine Lebensart, keine Manieren, keine Kultur. Der Hof in Tepelena hat nicht einmal einen Ballsaal!«
Die Herzogin sah genauso aus, wie eine Herzogin nach Quibbles Ansicht aussehen sollte: elegant und kostbar. Sie würde ganz sicher in dieser Hitze verwelken. Niemals konnte eine Insel die Heimat einer englischen Dame werden. Mehrere Jahre, fürwahr! Er würde jede Wette eingehen, dass der Herzog seine Frau spätestens nach einer Woche wieder nach Hause brachte.
Er sollte sich irren – um einige Monate.
37
Eine Herzogin tanzt vor Freude
Die Dämmerung auf Nissos war von einem merkwürdigen Blau. Ihr perlmuttfarbener Schimmer leuchtete auf weißer Haut und verlieh dem Haar von Gina Serrard, der Herzogin von Girton, einen goldenen Glanz. Sie und ihr Mann
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