Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
furchtbar langweilig, aber wenn sie ihn gefragt hätte, dann hätte er ihr seine Idee von einer Kanalisation aus Stein präsentiert, wie sie die Römer zu bauen pflegten.
Gina ließ ihn stehen und stieg die Treppe hinauf. Sie wusste, was er eigentlich gemeint hatte: Sie war eine langweilige Herzogin, die nie Risiken einging. Sie betrachtete ihre Hand im Handschuh, die auf dem Treppengeländer lag. Natürlich hielt sie sich am Geländer fest, wenn sie eine Treppe hinaufging. Sie könnte schließlich hinfallen, taumeln oder hinabstürzen. Und was dann?
Nichts. Sie hatte zu viel Zeit ihres Lebens damit verbracht, Risiken aus dem Wege zu gehen.
Ein leises Geräusch erregte ihre Aufmerksamkeit. Gina drehte sich um.
Er stand noch immer am Fuß der Treppe und schaute zu ihr hinauf.
»Was tust du da?«, rief sie und löste ihre Hand vom Geländer.
»Ich warte«, erwiderte er mit zärtlicher Stimme.
Sie ließ ihn nicht aus den Augen und begann ihren linken Handschuh aufzuknöpfen. »Worauf?«
»Dass du deine Meinung änderst.«
Gina streifte den Handschuh ab und warf ihn nach ihrem Mann. Er flog über drei oder vier Stufen hinweg und landete schließlich auf der Treppe. Gemeinsam starrten sie auf das kleine Häufchen Stoff. Dann blickte sie auf und sah, wie Cams Augen funkelten. Sie zerrte an den Knöpfen ihres rechten Handschuhs.
Eine große Männerhand legte sich auf ihre. »Du hast mir einmal erzählt, welche Schwierigkeiten du immer beim Aufknöpfen hast. Ich könnte dir helfen. Möchtest du, dass ich dir helfe?«
»Helfen?«
Er nickte. »Hilfe, ja. Das, worum du nie bittest. So gut hat dich mein lieber Papa gedrillt. Hast du jemals um Hilfe gebeten, Gina?«
»Natürlich!«
»In einer wirklich wichtigen Angelegenheit? Warum hast du mir nie geschrieben, wie viel Arbeit die Verwaltung der Ländereien tatsächlich bedeutet? Warum hast du mich nie gebeten zu kommen? Warum bittest du mich nie um Hilfe?«
»Ich bin es eben gewöhnt, unabhängig zu sein«, erwiderte sie stur.
Cam streifte ihr den Handschuh ab, Finger für Finger. Dann legte er seinen Finger auf ihre Handwurzel, genau über den Puls. »Bitte mich, Gina!«
Sie sah die Lachfältchen in seinen Augenwinkeln … die Unsicherheit, die sich hinter seinem verwegenen Grinsen verbarg. Sie kannte ihn inzwischen, wusste, dass sein Lächeln etwas verbarg – doch was? Verlangen? Verlangen nach ihr? Die bloße Berührung seiner Finger an ihrem Handgelenk ließ ihr Herz schneller schlagen.
»Ich … ich möchte … « Sie brach ab. Es fiel ihr zu schwer, nach all den Jahren voller stummer Wünsche und Briefe, die sie nicht geschrieben hatte. Nach vielen Jahren uneingestandener Angst, dass sie niemals eine Familie haben würde. Wenn sie um Hilfe bat, musste sie der Vorstellung entsagen, dass sie erst dann mit einem vollkommenen Herzog belohnt wurde, wenn sie die perfekte Herzogin war. Aber Cam war bereits perfekt – jedenfalls für sie.
Nun kam er ihr zu Hilfe. »Man sagte mir, ich hätte eine Frau«, flüsterte er. »Weißt du, wo ich sie finden könnte?« Gina erahnte etwas hinter seinem Lachen, das tiefer ging.
»Brauchst du Hilfe, um sie zu finden?«, bot sie an.
»Die Frau, die ich liebe, steht vor mir.« Er hob ihr Kinn mit dem Finger an. »Willst du mich zum Mann nehmen, Ambrogina? Wirst du die Meine sein, in guten wie in schlechten Tagen, in Gesundheit und Krankheit?«
Sie schluckte schwer. »Ich will.« Ihre Stimme klang rau. »Willst du mich zur Frau nehmen, Camden William Serrard, und mit mir leben und allen anderen entsagen, bis dass der Tod uns scheidet?«
Er räusperte sich und antwortete mit heiserer Stimme: »Ich will.« Dann neigte er den Kopf und küsste sie ganz zart auf die Lippen.
»Ich brauche Hilfe«, sagte sie und sah ihm unverwandt in die Augen.
»Ich stehe ganz zu deiner Verfügung.«
Sie drehte sich um, ohne sich am Geländer festzuhalten, und machte auf den winzigen Absätzen ihrer zierlichen Schuhe kehrt. »Denn ich möchte mich ausziehen.«
»Ausziehen!« Cam sah sich um. Vor ihnen erhob sich die imposante Treppe des Herrenhauses, deren Pfosten am Fuße durch Skulpturen ersetzt wurden. Nichts rührte sich in dem weitläufigen Hause. Es war mitten in der Nacht. Doch wenn es noch etwas zu erledigen gab, würde den Butler auch die späte Stunde nicht davon abhalten. Allerdings würde er mit großer Wahrscheinlichkeit die Dienstbotentreppe benutzen.
Cam lachte und protestierte: »Gina!«
Sie sagte nichts darauf, kehrte ihm
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