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Ein Universum aus Nichts

Ein Universum aus Nichts

Titel: Ein Universum aus Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence M Krauss
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ich, weil das Bild die Situation vor 5 Milliarden Jahren zeigt. Das Licht wurde 500 Millionen Jahre vor der Zeit ausgesandt, in der unsere Sonne und die Erde entstanden sind. Viele der Sterne auf dem Foto existieren nicht mehr – sie haben ihren nuklearen Brennstoff vor Milliarden von Jahren verbraucht. Darüber hinaus zeigen die verzerrten Abbildungen genau das, was Zwicky als Möglichkeit vorgetragen hat. Die großen verzerrten Abbildungen links der Mitte sind stark vergrößerte (und in die Länge gezogene) Versionen dieser fernen Galaxie, die ansonsten wahrscheinlich überhaupt nicht sichtbar wäre.
    Wenn wir ausgehend von diesem Bild die entsprechende Massenverteilung innerhalb des Clusters bestimmen wollen, stehen wir vor einer komplizierten und komplexen mathematischen Herausforderung. Tyson musste dafür ein Computermodell des Clusters entwerfen und alle möglichen Wege der Strahlen von der Quelle durch den Cluster nachvollziehen; mithilfe der Allgemeinen Relativität bestimmte er die entsprechenden Pfade, bis die dabei entstandenen Werte am besten mit den Beobachtungen übereinstimmten. Als der Staub sich verzogen hatte, erhielten Tyson und seine Mitarbeiter eine grafische Darstellung, die genau wiedergab, wo die Massen innerhalb des im Originalfoto abgebildeten Systems verteilt waren.

    Auf diesem Bild ereignet sich etwas Merkwürdiges. Die Spitzen des Graphen stehen für den Ort der sichtbaren Galaxien im Ausgangsbild, doch der größte Teil der Masse des Systems befindet sich in einer glatten, dunklen Verteilung zwischen den Galaxien. Zwischen den Galaxien liegt tatsächlich mehr als das 40-Fache der Masse, die im System als sichtbare Materie vorhanden ist – das 300-Fache der in den Sternen allein vorliegenden Masse, während der Rest aus der sichtbaren Materie in Form heißer Gase in ihrer Umgebung besteht. Dunkle Materie ist eindeutig nicht auf Galaxien beschränkt, sondern dominiert auch die Dichte von Galaxien-Clustern.
    Teilchenphysiker wie ich waren nicht überrascht von dem Befund, dass Dunkle Materie auch Cluster dominiert. Obwohl wir kein Fitzelchen eines direkten Beweises hatten, hofften wir alle, die Menge der Dunklen Materie würde so groß sein, dass ein flaches Universum herauskam – das lief darauf hinaus, dass im Universum 100-mal mehr Dunkle als sichtbare Materie vorhanden sein musste. Der Grund war ganz einfach: Ein flaches Universum ist das einzige mathematisch schöne Universum. Warum? Bleiben Sie dran.
    Ob der Gesamtbetrag Dunkler Materie nun ausreicht, um ein flaches Universum zu garantieren, oder nicht – Beobachtungen wie die aus dem Gravitationslinseneffekt 14 und jüngere Beobachtungen auf anderen Gebieten der Astronomie haben bestätigt, dass die Gesamtmenge Dunkler Materie in Galaxien und Clustern nach heutigem Wissen weit über dem Betrag liegt, den die Berechnungen der Nuklearsynthese im Big Bang zulassen. Inzwischen sind wir uns praktisch sicher, dass die Dunkle Materie – sie wurde, um es noch einmal zu sagen, in unzähligen verschiedenen astrophysikalischen Zusammenhängen von Galaxien bis zu Galaxienhaufen unabhängig voneinander bestätigt – aus etwas vollkommen Neuem bestehen muss, etwas, das es auf der Erde normalerweise nicht gibt. Diese Art von Material, das kein Sternenstoff ist, ist auch kein irdischer Stoff! Aber es ist zweifellos etwas!
    Diese frühesten schlüssigen Hinweise auf Dunkle Materie in unserer Milchstraße haben ein ganz neues Gebiet der Experimentalphysik hervorgebracht. Es freut mich, sagen zu können, dass ich bei deren Entwicklung eine Rolle gespielt habe. Die Partikel der Dunklen Materie befinden sich, wie schon weiter oben angesprochen, überall um uns herum – in meinem Arbeitszimmer ebenso wie »dort draußen« im Weltall. Von daher können wir experimentell danach Ausschau halten und nach der neuen Art eines oder mehrerer Elementarteilchen suchen, aus denen sie besteht.
    Diese Experimente werden schon durchgeführt – in Stollen und Tunneln tief unter der Erde. Warum im Untergrund? Weil wir auf der Erdoberfläche ständig von allen Arten kosmischer Strahlen bombardiert werden – von der Sonne und von viel weiter entfernten Objekten. Da Dunkle Materie ihrem Wesen nach nicht elektromagnetisch reagiert und damit kein Licht erzeugt, gehen wir davon aus, dass ihre Wechselwirkungen mit normaler Materie extrem schwach sind, weshalb sie äußerst schwer aufzuspüren sein wird. Selbst wenn wir tagtäglich von Millionen Partikeln Dunkler

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