Ein Universum aus Nichts
wohl die Tatsache, dass die anfangs als Stringtheorie bezeichnete Idee eindeutig komplizierter und komplexer ist als zunächst gedacht und dass ihre grundlegende Natur und ihre Erscheinungsweise weiterhin ein Mysterium sind.
Wir haben immer noch keine Ahnung, ob dieses bemerkenswerte Theoriegebäude überhaupt etwas mit der realen Welt zu tun hat. Dessen ungeachtet dürfte noch kein theoretisches Modell so erfolgreich in das Bewusstsein der Physikergemeinde eingedrungen sein, ohne je gezeigt zu haben, dass es fähig ist, ein einziges Geheimnis der Natur experimentell erfolgreich zu lösen.
Viele werden den letzten Satz als Kritik an der Stringtheorie auffassen, doch obwohl ich in der Vergangenheit als deren Kritiker abgestempelt worden bin, ist das hier wirklich nicht beabsichtigt. Auch in den zahlreichen Vorträgen und wohlmeinenden öffentlichen Debatten, die ich mit meinem Freund Brian Greene (einem der Hauptvertreter der Stringtheorie) zu dem Thema geführt habe, hatte ich es nicht darauf angelegt. Vielmehr glaube ich, es ist einfach wichtig, von dem verbreiteten Hype wegzukommen und die Geschichte mittels einer Realitätsprüfung wieder zu erden. Die Stringtheorie schließt faszinierende Ideen und mathematische Vorstellungen ein, die Licht auf eine der grundlegenden Inkonsistenzen der theoretischen Physik werfen könnten – auf unsere Unfähigkeit, Einsteins Allgemeine Relativität in eine Form zu gießen, die mit den Gesetzen der Quantenmechanik vereint werden kann und so vernünftige Vorhersagen darüber ermöglicht, wie das Universum sich in seinen kleinsten Maßstäben verhält.
Ich habe ein ganzes Buch darüber verfasst, wie die Stringtheorie versucht hat, dieses Problem zu umgehen. Für unsere Zwecke hier genügt jedoch eine sehr kurze Zusammenfassung. Die zentrale Aussage ist leicht darzustellen, wenn auch schwierig umzusetzen. In sehr kleinen Maßstäben – sie entsprechen der Skala, auf der die Probleme zwischen Schwerkraft und Quantenmechanik zuerst anzutreffen sein dürften – könnten sich elementare Strings zu geschlossenen Schleifen aufrollen. Innerhalb der möglichen Anregungszustände solcher geschlossener Schleifen existiert stets ein solcher Zustand mit den Eigenschaften jenes Teilchens, das in der Quantentheorie die Gravitationskraft vermittelt – das Graviton. Die Quantentheorie solcher Strings liefert also im Prinzip das Spielfeld, auf dem eine richtige Quantentheorie der Gravitation aufgebaut werden könnte.
Tatsächlich hat man entdeckt, dass mit einer solchen Theorie die fatalen Vorhersagen unendlicher Werte vermieden werden könnten, die sich aus den normalen quantentheoretischen Ansätzen zur Gravitation ergeben. Die Sache hatte jedoch einen Haken. In der einfachsten Version der Theorie können diese Vorhersagen unendlicher Werte nur umgangen werden, wenn die Strings, aus denen die Elementarteilchen aufgebaut sind, nicht nur in den drei vertrauten Raumdimensionen und der Zeitdimension schwingen, sondern in 26 Dimensionen!
Man sollte erwarten, dass ein so sprunghafter Anstieg von Komplexität (und vielleicht Glaube) ausreichen würde, die meisten Physiker von der Theorie abzuschrecken. In den 1980er Jahren wurde jedoch durch einige schöne mathematische Arbeiten mehrerer Theoretiker (besonders hervorzuheben ist hier Edward Witten vom Institute for Advanced Studies) gezeigt, dass die Theorie im Prinzip weit mehr zu leisten vermag als nur eine Quantentheorie der Gravitation. Man führte neue mathematische Symmetrien ein – insbesondere ein bemerkenswert leistungsfähiges mathematisches Gerüst namens »Supersymmetrie« – und machte es damit möglich, die Zahl der für eine Konsistenz der Theorie erforderlichen Dimensionen auf nur noch zehn zu reduzieren.
Wichtiger war jedoch, dass es eine Chance zu geben schien, im Rahmen der Stringtheorie die Gravitation mit den anderen Naturkräften in einer Theorie zusammenzufassen und überdies vielleicht die Existenz jedes einzelnen bekannten Elementarteilchens zu erklären! Schließlich schien sich noch abzuzeichnen, es könne eine einzige Theorie in zehn Dimensionen geben, die alles abbilden kann, was wir in unserer vierdimensionalen Welt sehen.
Behauptungen über eine »Theorie von allem« oder eine »Weltformel« begannen sich zu verbreiten – nicht nur in der wissenschaftlichen, sondern auch in der populären Literatur. Deshalb sind möglicherweise mehr Menschen mit »Superstrings« vertraut als mit der »Supraleitung«, der
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