Ein Universum aus Nichts
Systemen auf der Erde. Nehmen wir beispielsweise kochenden Haferbrei. An jedem Ort kann eine Gasblase aus der Oberfläche blubbern, was Bereiche anzeigt, in denen Flüssigkeit hoher Temperatur einen Phasenübergang vollendet und Dampf bildet. Zwischen den Blasen aber brodelt und wallt der Haferbrei. In größerem Maßstab zeigt sich Regelmäßigkeit – irgendwo treten stets Blasen aus. Örtlich jedoch verhält es sich ganz anders – je nachdem, wo man hinschaut. Das würde sich auch in einem chaotisch inflationär expandierenden Universum zeigen. Befände man sich zufällig in einer »Blase« des wahren Grundzustands, in dem die Inflation aufgehört hat, würde einem das eigene Universum völlig anders vorkommen als der große Raumbereich, der sich nach wie vor inflationär ausdehnt.
In diesem Modell geht die Inflation ewig weiter. Manche Regionen – tatsächlich der größte Teil des Raums – würden auf immer inflationär expandieren. Jene Regionen, die der Inflation entgehen, werden zu kausal abgekoppelten separaten Universen. Ich möchte unterstreichen, dass ein Multiversum unvermeidlich ist, wenn die Inflation ewig weitergeht, und eine ewige Inflation ist bei Weitem die wahrscheinlichste Möglichkeit in den meisten, wenn nicht in allen inflationären Szenarien. In seinem Aufsatz von 1986 hat Linde es so ausgedrückt:
Die alte Frage, warum unser Universum das einzig mögliche ist, wird nun durch die Frage ersetzt, in welchen Theorien die Existenz von Mini-Universen wie dem unseren möglich ist. Diese Frage ist immer noch sehr schwer, aber leichter zu beantworten als die vorige. Unserer Ansicht nach ist die Modifikation der Sicht auf die globale Struktur des Universums und auf unsere Situation in der Welt eine der wichtigsten Folgen, die sich aus der Entwicklung des Szenarios einer inflationär expandierenden Welt ergibt.
Wie Linde hervorhob, liefert dieses Modell (was inzwischen klar geworden ist) auch eine neue Möglichkeit für die Physik. So könnte es leicht sein, dass in der Natur viele mögliche Quantenzustände niedriger Energie vorhanden sind, in die ein inflationär expandierendes Universum schließlich zerfallen könnte. Weil die Konfiguration der Quantenzustände dieser Felder in jeder einzelnen dieser Regionen unterschiedlich sein wird, kann der Charakter der grundlegenden physikalischen Gesetze in jeder Region/jedem Universum anders erscheinen.
Hier tauchte die erste »Landschaft« auf, in der das zuvor formulierte anthropische Argument seine Rolle spielen konnte. Falls es viele unterschiedliche Zustände gibt, in denen unser Universum nach der Inflation enden könnte, dann wäre das, in dem wir leben, 39 vielleicht einfach nur eines einer potenziell unendlich großen Familie. Damit wäre es zugleich das Universum, das für fragende Wissenschaftler ausgewählt scheint, weil es Galaxien, Sterne, Planeten und Leben ermöglicht.
Das erste Mal trat der Begriff »Landschaft« jedoch nicht in diesem Zusammenhang auf. Er wurde durch eine weit effektivere Vermarktungsmaschine vorangebracht – sie hängt mit dem Götzen zusammen, der die Teilchentheorie während des letzten Vierteljahrhunderts weitgehend angetrieben hat: der Stringtheorie. Die Stringtheorie postuliert, dass Elementarteilchen aus fundamentalen Bestandteilen zusammengesetzt sind, bei denen es sich nicht um Teilchen handelt, sondern um Objekte, die sich wie schwingende Saiten verhalten. Wie die Schwingungen einer Violinsaite unterschiedliche Töne erzeugen, so produzieren dieser Theorie zufolge verschiedene Arten von Schwingungen Objekte, die sich zumindest prinzipiell wie all die in der Natur vorgefundenen verschiedenen Elementarteilchen verhalten können. Die Geschichte hat nur einen Haken: Die Theorie ist mathematisch nicht konsistent, wenn sie in nur vier Dimensionen definiert wird; sie scheint weit mehr davon zu erfordern, wenn sie einen Sinn ergeben soll. Was mit den anderen Dimensionen geschieht, ist nicht unmittelbar ersichtlich, und das gilt auch für die Frage, welche anderen Objekte außer den Saiten oder Strings wichtig sein könnten, um die Theorie zu definieren. Das sind nur einige der vielen ungelösten Probleme, die sich hier gezeigt und die frühe Begeisterung für diese Idee ein wenig gedämpft haben.
Hier ist nicht der Ort, die Stringtheorie eingehend zu erörtern, und tatsächlich ist eine gründliche Überprüfung wahrscheinlich nicht möglich. Denn wenn in den vergangenen 25 Jahren eines klar geworden ist, dann
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