Ein Universum aus Nichts
genau das würde man erwarten. Dagegen bleibt die Energiedichte im leeren Raum konstant, weil im leeren Raum nichts vorhanden ist, was zu verdünnen wäre! 37 Die beiden Kurven schneiden einander relativ nahe an der Gegenwart, was der Ursprung jener seltsamen Koinzidenz ist, die ich beschrieben habe.
Sehen wir uns nun an, was geschehen würde, wenn die Energie im leeren Raum, sagen wir, 50-mal größer wäre als der heutige Schätzwert. Dann würden sich die beiden Kurven zu einem früheren Zeitpunkt schneiden, wie in der folgenden Abbildung zu erkennen ist:
Der Zeitpunkt, zu dem sich die beiden Kurven für den oberen, größeren Wert der Energie des leeren Raums schneiden, liegt in dem Bereich, in dem die ersten Galaxien entstanden sind – etwa eine Milliarde Jahre nach dem Big Bang. Wir sollten jedoch daran denken, dass die Energie des leeren Raums als abstoßende Gravitation wirkt. Hätte sie die Energie des Universums bereits vor der Zeit der Galaxienbildung beherrscht, hätte die aus dieser Energie hervorgehende abstoßende Kraft die normale Anziehungskraft der Gravitation (buchstäblich) überwogen, welche die Materie veranlasst hat, sich zusammenzuballen. Das heißt, Galaxien hätten sich niemals gebildet!
Wenn aber keine Galaxien entstanden wären, hätten sich auch keine Sterne gebildet. Und ohne Sterne wären keine Planeten entstanden. Und hätten sich keine Planeten gebildet, hätte es keine Astronomen gegeben!
In einem Universum, dessen Energie des leeren Raums nur 50-mal größer ist, als wir heute beobachten, wäre also offenkundig niemand da, der versuchte, diese Energie zu messen.
Sollte uns das etwas sagen? Kurz nach der Entdeckung des expandierenden Universums schlug der Physiker Steven Weinberg auf der Grundlage eines ein Jahrzehnt zuvor (vor der Entdeckung der Dunklen Energie) von ihm entwickelten Arguments vor, das »Koinzidenzproblem« könne demnach gelöst werden, wenn der heute gemessene Wert der kosmologischen Konstante irgendwie »anthropisch« selektiert worden sei. Das heißt, falls es vielleicht viele Universen gäbe und in jedem von ihnen der Wert der Energie des leeren Raums einen zufällig gewählten Betrag annähme, der auf einer bestimmten Zufallsverteilung aller möglichen Energien beruhte, dann würde sich Leben, wie wir es kennen, nur in den Universen entwickeln können, in denen der Wert nicht allzu stark von unseren aktuellen Messwerten abweicht. Möglicherweise befinden wir uns deshalb in einem Universum mit winziger Energie im leeren Raum, weil wir uns nicht in einem mit einem weit größeren Wert befinden könnten. Anders ausgedrückt: So übermäßig überraschend ist der Befund nicht, dass wir in einem Universum leben, in dem wir leben können!
Mathematisch ergibt dieses Argument jedoch nur dann einen Sinn, wenn die Möglichkeit besteht, dass viele verschiedene Universen entstanden sind. Es mag sich wie ein Oxymoron anhören, wenn wir von vielen Universen sprechen. Denn üblicherweise ist der Begriff Universum zu einem Synonym geworden für »alles, was existiert«.
In jüngerer Zeit hat Universum jedoch eine einfachere und wohl auch besser nachvollziehbare Bedeutung angenommen. Mittlerweile ist es üblich, sich »unser« Universum als das vorzustellen, was einfach alles einschließt, was wir derzeit und was wir je werden sehen können. Physikalisch umfasst unser Universum also alles, was je auf uns eingewirkt haben könnte oder auf uns einwirken wird.
Sobald man diese Definition für ein Universum wählt, geraten andere »Universen« 38 in den Bereich des Möglichen, zumindest im Prinzip.
Wie ich schon unterstrichen habe, ist unser Universum so ungeheuer riesig, dass alles, was nicht unmöglich ist, praktisch mit Sicherheit irgendwo vorkommt. Seltene Ereignisse finden ständig statt. Man fragt sich vielleicht, ob dieses Prinzip auch für die Möglichkeit vieler Universen oder eines »Multiversums« (unter dieser Bezeichnung ist die Idee heute bekannt) gilt. Wie sich zeigt, gibt es starke theoretische Hinweise darauf, dass es sich hier um mehr als nur eine Möglichkeit handelt. Zahlreiche zentrale Vorstellungen, die einem beträchtlichen Teil der derzeit laufenden Aktivitäten in der Teilchentheorie zugrunde liegen, scheinen ein Multiversum zu fordern.
Ich möchte das betonen, weil in Debatten mit Menschen, die das Bedürfnis nach einem Schöpfer verspüren, die Behauptung der Existenz eines Multiversums als billige Ausrede der Physiker gesehen wird, denen die
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