Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Universum aus Nichts

Ein Universum aus Nichts

Titel: Ein Universum aus Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence M Krauss
Vom Netzwerk:
Antworten ausgegangen sind – oder möglicherweise auch die Fragen. Vielleicht ist das ja am Ende auch so – im Augenblick aber trifft es nicht zu. Beinahe jede logisch vorstellbare Möglichkeit, die darauf abzielt, die in kleinen Skalen bekannten physikalischen Gesetze auf eine umfassendere Theorie auszudehnen, lässt erwarten, dass unser Universum im großen Maßstab nicht einzigartig ist.
    Das als Inflation bezeichnete Phänomen liefert vielleicht die erste und möglicherweise beste Begründung. Während der inflationären Phase, in der eine bestimmte Region des Universums zeitweilig von gewaltiger Energie dominiert wird, beginnt diese Region sich exponentiell auszudehnen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt kann es sein, dass eine kleine Zone innerhalb dieses »falschen Vakuums« aus der Inflation ausscheidet, da in der Region ein Phasenübergang stattfindet. Dabei entspannt sich das darin befindliche Feld auf seinen wahren, niedrigeren Energiewert, worauf die Expansion innerhalb dieses Bereichs nicht länger exponentiell verläuft. Der Raum zwischen solchen Bereichen wird sich jedoch weiter exponentiell ausdehnen. Zu jedem Zeitpunkt liegt dann der größte Teil des Raums, sofern der Phasenübergang sich nicht über den gesamten Raum hinweg vervollständigt, innerhalb einer sich inflationär ausdehnenden Region. Und die sich aufblähende Region wird jene Zonen, die der Inflation anfangs entgangen sind, durch fast unauslotbare Distanzen voneinander trennen. Man kann es mit der aus einem Vulkan quellenden Lava vergleichen. Ein Teil des Gesteins kühlt ab und verfestigt sich, doch weil diese Steinbrocken auf einem Meer aus flüssiger Lava treiben, werden die Abstände zwischen ihnen immer größer.
    Die Situation kann sogar noch dramatischer sein. Andrei Linde, zusammen mit Alan Guth einer der entscheidenden Architekten der modernen Inflationstheorie, hat 1986 ein vielleicht noch allgemeineres Szenario vorgetragen und erforscht. In gewissem Sinn war das schon von Alexander Vilenkin, einem weiteren erfinderischen russischen Kosmologen in den USA , vorweggenommen worden. Sowohl Linde als auch Vilenkin verfügen über die innere Zuversicht, die man bei großen russischen Physikern antrifft; ihre Geschichte ist jedoch völlig unterschiedlich verlaufen. Linde war im alten sowjetischen Physik-Establishment erfolgreich, ehe er nach dem Fall der Sowjetunion in die USA auswanderte. Frech, brillant und witzig hat er die theoretische Teilchenkosmologie seither in weitem Umfang dominiert. Vilenkin emigrierte schon viel früher, noch ehe er Physiker wurde, und arbeitete während seines Studiums in den USA in verschiedenen Jobs, unter anderem als Nachtwächter. Und obwohl er sich immer für die Kosmologie interessiert hatte, bewarb er sich für seine Promotionsarbeit zufällig an der falschen Uni, worauf er eine Doktorarbeit in der Physik kondensierter Materie – der Material- und Festkörperphysik – verfasste. Anschließend fand er eine Anstellung als forschender Postdoktorand an der Case Western Reserve University, wo ich schließlich Fakultätsvorsitzender wurde. Während dieser Zeit fragte er seinen Supervisor Philip Taylor, ob er zusätzlich zu den ihm zugewiesenen Projekten einige Tage in der Woche an kosmologischen Fragen arbeiten könne. Wie Philip mir später mitteilte, war Alexander selbst mit seinem Teilzeitlabor der produktivste Postdoktorand, den er je gehabt hatte.
    Linde erkannte jedenfalls, dass Quantenfluktuationen während der Inflation häufig das Feld antreiben, das die Inflation zu ihrem niedrigsten Energiezustand drängt. Das führt dann zu einem eleganten Ausstieg. Es besteht aber auch ständig die Möglichkeit, dass Quantenfluktuationen in manchen Regionen das Feld zu immer höheren Energien treiben – fort von den Werten, bei denen die Inflation aufhören würde –, wodurch die Inflation unvermindert weitergeht. Weil solche Regionen über längere Zeiträume hinweg expandieren, ist der von Inflation betroffene Raumanteil erheblich größer als der nicht inflationär expandierende Raum. Innerhalb dieser Regionen wiederum werden Quantenfluktuationen weitere Teilzonen zum Ausstieg aus der Inflation veranlassen und deren exponentielle Expansion beenden, doch auch hier gibt es wieder Zonen, wo die Quantenfluktuationen dafür sorgen, dass die Inflation jeweils noch länger anhält. Und so weiter.
    Dieses Modell, das Linde »chaotische Inflation« getauft hat, ähnelt in der Tat den vertrauteren chaotischen

Weitere Kostenlose Bücher