Ein Universum aus Nichts
Anerkennung ermittelter Fakten als eine Facette der Wahrheit ist ein tiefgründiges Thema und die Triebfeder, die unsere Zivilisation seit der Renaissance bewegt hat.
Jacob Bronowski
Ich habe dieses Buch mit einem anderen Zitat von Jacob Bronowski begonnen:
Traum oder Albtraum, unsere Erfahrung müssen wir leben, wie sie ist, und wir müssen sie im Wachzustand leben. Wir leben in einer Welt, die vollständig von Wissenschaft durchdrungen und sowohl ein Ganzes als auch real ist. Wir können das Leben nicht einfach dadurch in ein Spiel verwandeln, indem wir uns für eine Seite entscheiden.
Zudem habe ich gesagt, des einen Traum sei des anderen Albtraum. Ein Universum ohne Zweck oder Lenkung mag manchem so erscheinen, als werde das Leben dadurch bedeutungslos. Für andere, zu denen auch ich mich zähle, wirkt ein solches Universum belebend. Es macht die Tatsache unserer Existenz noch erstaunlicher und motiviert uns, aus unserem eigenen Handeln Bedeutung abzuleiten und aus unserer kurzen Existenz unter der Sonne das Beste zu machen – gesegnet mit Bewusstsein und mit der Gelegenheit, etwas zu verwirklichen. Bronowskis Aussage läuft jedoch darauf hinaus, dass es ohnehin nicht wirklich darauf ankommt und dass es belanglos ist, was wir im Hinblick auf das Universum gern hätten. Was immer geschah, ist geschehen, und es geschah in einer kosmischen Größenordnung. Und was immer sich auf dieser Skala künftig ereignen mag, es wird sich unabhängig von unseren Vorlieben und Abneigungen ereignen. Wir haben keinen Einfluss auf das, was vorher geschah, und wahrscheinlich können wir auch nicht beeinflussen, was in Zukunft geschieht.
Es ist uns hingegen möglich, uns darum zu bemühen, die Umstände unserer Existenz zu verstehen. In diesem Buch habe ich eine der bemerkenswertesten Erkundungsreisen geschildert, die die Menschheit in ihrer Evolutionsgeschichte je unternommen hat. Es handelt sich um ein episches Bestreben, den Kosmos in Größenordnungen zu erkunden und zu verstehen, die ein Jahrhundert zuvor schlicht noch unbekannt waren. Die Reise hat die Grenzen des menschlichen Geistes weiter hinausgeschoben. Dabei wurde die Bereitschaft, den wissenschaftlichen Beweisen zu folgen, wo immer sie auch hinführen mochten, mit dem Mut verbunden, ein ganzes Leben der Erkundung des Unbekannten zu widmen – im vollen Bewusstsein, dass die Anstrengung möglicherweise nirgendwo hinführen würde. Und schließlich war dazu noch eine Mischung aus Kreativität und Ausdauer erforderlich, damit man die oft langwierige und mühsame Aufgabe bewältigen konnte, endlose Gleichungen oder endlose experimentelle Herausforderungen anzugehen.
Der Mythos von Sisyphus hat mich stets angezogen; gelegentlich habe ich die Mühen der Wissenschaft mit seiner nie endenden Aufgabe verglichen, einen Felsbrocken auf einen Berg zu befördern, nur um zu erleben, dass er wieder hinunterrollte, ehe er den Gipfel erreichte. Camus stellte sich Sisyphus als einen glücklichen Menschen vor, und das sollten auch wir. Unsere Reise, was immer dabei herauskommen mag, trägt ihre Belohnung in sich.
Der phänomenale Fortschritt, den wir im vergangenen Jahrhundert erlebt haben, hat uns als Wissenschaftler zu einem Scheitelpunkt geführt, an dem wir uns aktiv mit den tiefsten Fragen auseinandersetzen, die es gibt, seit Menschen ihre ersten tastenden Schritte unternahmen, um zu verstehen, wer sie waren und woher sie kamen.
In diesem Prozess hat sich, wie ich hier dargestellt habe, die Bedeutung dieser Fragen zusammen mit unserem Verständnis des Universums verändert. Warum es statt nichts überhaupt etwas gibt – diese Frage muss im Kontext eines Kosmos verstanden werden, in dem diese Worte nicht mehr dasselbe bedeuten wie einst. Schon die Unterscheidung zwischen etwas und nichts hat begonnen, sich dort aufzulösen, wo Übergänge zwischen den beiden in unterschiedlichen Zusammenhängen nicht nur häufig, sondern sogar erforderlich sind.
Und so ist selbst diese Frage in unserem Streben nach Wissen an den Rand gedrängt worden. Stattdessen sehen wir uns veranlasst, die Vorgänge, welche die Natur steuern, auf eine Weise zu verstehen, die es uns erlaubt, Vorhersagen zu machen und – wo immer das möglich ist – auf unsere eigene Zukunft einzuwirken. Dabei haben wir entdeckt, dass wir in einem Universum leben, in dem das Vakuum des leeren Raums – das zuvor als Inbegriff des Nichts hätte gelten können – eine neue Dynamik aufweist, von der die aktuelle Entwicklung
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