Ein Universum aus Nichts
des Kosmos gesteuert wird. Wie wir entdeckt haben, deuten alle Anzeichen auf ein Universum hin, das aus einem tiefer reichenden Nichts – was die Abwesenheit des Raums selbst einschließt – hervorgegangen und nachvollziehbar tatsächlich daraus entstanden sein könnte. Zudem könnte es eines Tages wieder ins Nichts zurückkehren – aufgrund von Vorgängen, die vielleicht nicht nur begreiflich sind, sondern für die auch keine äußere Kontrolle oder Steuerung erforderlich ist. In diesem Sinne macht es die Physik, wie der Physiker Steven Weinberg angemerkt hat, nicht unmöglich, an Gott zu glauben, sondern ermöglicht vielmehr, nicht an Gott zu glauben. Ohne Wissenschaft ist alles ein Wunder. Mit der Wissenschaft bleibt die Möglichkeit, dass gar nichts ist. In diesem Fall wird religiöser Glaube immer weniger notwendig und auch immer weniger relevant.
Natürlich muss jeder selbst entscheiden, ob er sich zur Vorstellung einer göttlichen Schöpfung bekennen will, und ich erwarte nicht, das die fortwährende Debatte in nächster Zeit einschlafen wird. Ich glaube aber, dass wir aus intellektueller Aufrichtigkeit heraus eine auf Information beruhende Entscheidung treffen sollten – informiert durch Fakten und nicht durch Offenbarung.
Das habe ich mit diesem Buch beabsichtigt – ein auf Information beruhendes Bild des Universums zu vermitteln, wie wir es verstehen, und die theoretischen Spekulationen darzustellen, von denen die Physik derzeit vorangebracht wird, während wir Wissenschaftler versuchen, in unseren Beobachtungen und Theorien die Spreu vom Weizen zu trennen.
Was ich selbst vorziehe, habe ich deutlich gemacht: Als die bei Weitem überzeugendste intellektuelle Alternative erscheint mir derzeit der Fall, dass unser Universum aus dem Nichts hervorgegangen ist. Der Leser mag seine eigenen Schlüsse ziehen.
Am Ende meiner Erörterung möchte ich auf eine Frage zurückkommen, die mir intellektuell sogar spannender erscheint als die Frage nach dem Etwas aus dem Nichts. Es ist die Frage, die Einstein äußerte: Ob Gott bei der Erschaffung des Universums überhaupt eine Wahl hatte? Diese Frage liefert die grundlegende Motivation für fast jede Forschung nach der fundamentalen Struktur von Materie, Raum und Zeit – einer Forschung, die mich während eines Großteils meines Berufslebens beschäftigt hat.
Lange Zeit glaubte ich, die Antwort auf diese Frage sei ziemlich eindeutig, doch während der Arbeit an diesem Buch haben sich meine Ansichten geändert. Falls es eine einzige Theorie gibt, die mit einer einzigen Sammlung von Gesetzen beschreibt und tatsächlich vorschreibt, wie unser Universum einschließlich der Regeln, die seine Entwicklung seither gesteuert haben, entstanden ist – was das Ziel der Physik seit Newton oder Galilei war –, so sollte die Antwort lauten: »Nein, alles musste so sein, wie es gewesen ist und weiterhin bleibt.«
Wenn unser Universum jedoch nicht einzigartig ist und zu einem riesigen und möglicherweise unendlichen Multiversum von Universen gehört, wäre dann auf Einsteins Frage nicht lauthals zu antworten: »Ja, es gibt eine ganze Menge von Entscheidungsmöglichkeiten für die Existenz«?
Ich bin mir da nicht so sicher. Es könnte sein, dass es eine unendliche Fülle verschiedener Kombinationen der Naturgesetze gibt und dazu Varianten von Teilchen und Substanzen und Kräften und sogar unterschiedliche Universen, die in einem solchen Multiversum auftauchen könnten. Es kann aber sein, dass allein eine bestimmte, sehr eingeschränkte Kombination, aus der ein Universum unseres oder eines sehr ähnlichen Typs hervorgeht, die Evolution von Wesen unterstützt, die eine solche Frage stellen können. In diesem Fall müsste Einsteins Frage weiterhin mit Nein beantwortet werden. Ein Gott oder eine Natur, die ein Multiversum herbeiführen kann, wäre bei der Erschaffung eines Universums, in dem Einstein die Frage stellen konnte, ebenso eingeschränkt wie in dem Fall, in dem nur eine Möglichkeit für eine konsistente physikalische Realität besteht.
Ich finde die Möglichkeit merkwürdig zufriedenstellend, dass selbst ein anscheinend allmächtiger Gott in beiden Szenarien bei der Erschaffung unseres Universums keine Wahl hatte. Zweifellos deshalb, weil das weiterhin nahelegt, dass Gott nicht notwendig ist – oder im besten Fall überflüssig.
Nachwort
Von Richard Dawkins
Nichts erweitert den Geist so sehr wie das sich ausdehnende Universum. Im Gegensatz zu den majestätischen
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