Ein unmoralischer Handel
Weg zurück zur Bond Street ein.
Den Blick starr geradeaus gerichtet, ohne wirklich etwas wahrzunehmen, mischte er sich wieder in das geschäftige Treiben. Er war immer noch wie betäubt - wie vom Schlag getroffen, um genau zu sein. Dass Alathea ihn so hatte erregen können. Warum das passiert war, vermochte er nicht zu sagen, doch er konnte nicht so tun, als sei nichts geschehen - die Nachwirkungen waren immer noch klar und deutlich zu spüren.
Er war erschüttert, aus dem Gleichgewicht gebracht und fühlte sich schrecklich unwohl in seiner Haut. Dergleichen hatte er ihr gegenüber noch nie empfunden - sie waren immer so enge Freunde gewesen, dass der da unten niemals sein Haupt zwischen ihnen erhoben hatte.
Während er weiterging, wurde sein Kopf ein wenig klarer.
Und die einleuchtende Erklärung präsentierte sich zu seiner übergroßen Erleichterung plötzlich wie von selbst.
Nicht Alathea - die Gräfin. Die ganze letzte Nacht hatte er damit verbracht zu planen, wie und wo er sie endgültig verführen könnte, hatte sich alle aufreizenden Details immer wieder ausgemalt. Heute Morgen hatte er sich drangemacht, seinen Plan auch in die Tat umzusetzen. Dann hatte das Schicksal in Gestalt eines Pferdes ihm Alathea in die Arme geworfen. Einleuchtend.
Es war nicht einmal überraschend, dass sein Körper die beiden Frauen verwechselte - schließlich waren beide hoch gewachsen, auch wenn die Gräfin eindeutig noch größer war. Beide waren gertenschlank; sie ähnelten sich sehr im Körperbau. Beide hatten dieselben feinen, geschmeidigen Rückenmuskeln, doch das - so nahm er an - war wohl bei allen sehr großen, schlanken Frauen zu erwarten - quasi eine Art architektonische Notwendigkeit.
Jedenfalls endeten die Gemeinsamkeiten bei der physischen Erscheinung. Wenn er es wagen würde, sie zu küssen, würde Alathea ihn verbal in Stücke reißen - ganz sicher jedoch würde sie nicht mit dieser wunderbar verführerischen, sinnlichen Großzügigkeit in seinen Armen dahinschmelzen, wie die Gräfin sie an den Tag gelegt hatte.
Der Gedanke allein ließ ihn lächeln. Sein nächster Gedanke - was Alathea aus seiner Reaktion machen würde, wenn sie erst Zeit hätte, über den Vorfall nachzudenken - machte jede Spur von Frivolität allerdings gleich wieder zunichte. Dann erinnerte er sich an ihre langjährige Meinung über ihn und seinen ausschweifenden Lebensstil, und das Lächeln kehrte auf seine Lippen zurück. Zweifellos würde sie seine Reaktion auf seine ungezügelte Wollust zurückführen - und würde damit nicht einmal so falsch liegen. Doch es war die Gräfin, nach der er sich verzehrte, seine Prinzessin der Nacht.
Er begehrte sie leidenschaftlich. Zu seiner Überraschung war da aber noch etwas, das über die rein physische Anziehung hinausging. Ja, er wollte sie wirklich kennen lernen - wer sie war, was sie gern hatte, was sie dachte, was sie zum Lachen brachte. Sie war rätselhaft und faszinierend - und dabei auch seltsam vertraut. Sie war ein Puzzle, das er zu lösen gedachte - und zwar, indem er jedes Teil einzeln einer genauesten Betrachtung unterzog.
Um das zu tun, musste er seinen Plan weiterverfolgen … Er hob den Kopf und schaute sich um. Inzwischen hatte er beinah das Ende der Bond Street erreicht, also ging er auf die andere Straßenseite, kehrte um und unterzog die Menge einer erneuten Sondierung. Er brauchte immer noch ein Schaf. Irgendjemanden musste es doch geben …
»Du lieber Himmel! Was ist denn in dich gefahren?«
Die Frage und der Stock, der auf seinen Nabel zeigte, rissen ihn abrupt aus seinen Gedanken.
»Geht hier mit der Nase in der Luft die Bond Street hinunter! Warum denn das? So siehst du ja nicht einmal, wen du schneidest.«
Gabriel schaute in die zwei glänzenden Knopfaugen in einem alten, sanften Gesicht und lächelte. »Minnie.« Er schob ihren Stock beiseite und hauchte einen flüchtigen Kuss auf ihre Wange.
»Hmpf.« Minnies Ton war noch nicht besänftigt, doch ihre Augen zwinkerten ihm zu. »Erinnern Sie mich, Celia von dieser Geschichte zu erzählen, Timms.«
»Aber gern.« Die hoch gewachsene Dame an Minnies Seite verlor ihren Kampf um die ernste Miene. »Ziemlich unverschämt, so ohne die geziemende Aufmerksamkeit die Bond Street entlangzuflanieren.«
Gabriel machte eine übertrieben höfliche Verbeugung und fragte, als er sich wieder aufrichtete: »Werden Sie mir noch einmal verzeihen?«
»Wir werden darüber nachdenken.« Minnie schaute sich um. »Ach, da ist ja
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